KRITIKEN
DIE FETTEN JAHRE SIND VORBEI
"In der Rolle des Klassenfeindes, der sich zum Erstaunen seiner Entführer als Alt-68er entpuppt, lässt Christian Lugerth die Jungen alt aussehen. Hier zeigt sich ganz der Bühnenroutinier, der dem anfänglich gönnerhaften Topmanager interessante Facetten abzugewinnen versteht und wenigstens ein wenig Witz aufblitzen lässt. Gerade im ideologischen Aufeinanderprallen von Einst und Jetzt, gerade da, wo sich die aufmüpfigene Jungen über den in SDS-Erinnerungen Schwelgenden lustig machen könnten, lockt Lugerth seine Gegenspieler mit kleinen Seitenhieben aus der Reserve." (Gießener Anzeiger)
"Christian Lugerth gibt dem entführten Hardenberg einen überraschend amüsanten Gleichmut. Immer wieder bringt er die Zuschauer mit seinem spießigen Pseudo-Rebellentum zum Lachen und sorgt für die witzigen Momente im ansonsten ernsten und sehr eindringlichen Stück. Als er sich erstmal gesammelt hat, findet Hardenberg sich schnell zurecht und tanzt seinen Entführern schon beinahe auf der Nase herum." (Gießener Allgemeine)
"Christian Lugerth als staubtrockener und witziger Ex-68er." (Wetzlarer Neue Zeitung)
DIE 39 STUFEN
"Das Publikum kommt aus dem Kichern nicht mehr heraus (..) Nein, dramatische Spannung, Grusel gar sind nicht die Themen an diesem Abend. Zwar lieferte "Suspense"-Meister Alfred Hitchcock mit seinem 1935 gedrehten Thriller "Die 39 Stufen" die Vorlage, aus der Patrick Barlow eine 2006 in London uraufgeführte Kriminalkomödie fürs Theater machte. Bei Christian Lugerth wird daraus in seiner ersten Regiearbeit am Wallgraben eine episodenhaft erzählte Farce – mit Elementen aus (Film)Komödie, Klamotte und Comic. Schon Hitchcock hatte für seinen Film weitgehend auf realistische Bezüge verzichtet und dafür auf Tempo, Verwicklungen und häufig wechselnde Schauplätze gesetzt. Die hanebüchene Spionagegeschichte, in der ein ganz normaler Bürger aus heiterem Himmel eine Agentin bei sich aufnimmt, diese kurz darauf in seiner Wohnung ermordet auffindet, daraufhin nach Schottland reist, um einen ausländischen Geheimbund daran zu hindern, ganz Großbritannien in Gefahr zu bringen, wird in Freiburg zur lupenreinen Comedy. Und warum nicht? Wer ein Schauspielteam dieser Güte verpflichten kann, der muss sich keine Sorgen machen. Mit Sybille Denker, Markus Bölling, Ives Pancera und Burkhard Wein sind nur vier Darsteller auf der Bühne – doch sie schlüpfen dort in mehr als 30 Rollen! Vor allem Pancera und Wein wechseln die Figuren in solch rasender Geschwindigkeit und mit solcher Präzision, dass man nur staunen kann. Ein neuer Hut, ein anderer Mantel – und schon wird aus dem Zeitungsjungen der Professor, aus dem Trenchcoat-Agenten die in blauen Samt gekleidete Mrs. Jordan (Kostüme: Franzy Deutscher). Dass das Ganze durch feine Schauspielkunst mit punktgenau passenden Gesten, Mimik und angepasster Stimmlage ergänzt wird, gefällt den Zuschauern und ist von Lugerth auch weitgehend gut komponiert. (..) Die Premiere von "39 Stufen" gerät zu einem unterhaltsamen zweistündigen Theaterabend, von dem vor allem die überzeugende Ensembleleistung im Gedächtnis bleibt." (Badische Zeitung)
"Mit gerade einmal vier Darstellern ist die Kriminalkomödie "39 Stufen" besetzt. Markus Bölling, Sybille Denker, Yves Pancera und Burkhard Wein wechseln nicht nur unermüdlich Rollen und Kostüm, sie agieren auch gegen jeden Illusionismus. Aus einer schmiedeeisernen Garderobe wird unversehens das Fenster eines Zugabteils, hinter dem auf dem Gleis die Polizei nach Hannay fahndet, der mittlerweile wegen Mordes gesucht wird. Und als Geräuschemacher tritt das Ensemble auch noch hervor. Geht es durch das schottische Hochmoor, wird eine Zinkwanne das Moor. Christian Lugerth geht bei seiner Inszenierung bis zur Parodie des Genres, er setzt auf Slapstick, so daß aus dem Agententhriller eine Art Räuberpistole mit Seitenhieben auf Hitchcocks Filme wird (...) und verleiht dem Abend viel Witz und Charme.(Kulturjoker Freiburg)
KLEINE EHEVERBRECHEN
"Zuerst ist da eine zufällige Begegnung, ein Innehalten und Beäugen im Vorübergehen. Der Augenblick eines möglichen Anfangs. Aber kaum, daß hier romantische Gefühle aufkämen, aus dem Blick ein Flirt würde, kippt die Stimmung. Die Blicke verhärten sich, das beiläufige Interesse verdichtet sich zur Lauerstellung, der Schlendergang zur Beschattung. Der Anfang schon das Ende? Mit dieser stummen Szene bringt Regisseur Christian Lugerth das Doppelspiel fein auf den Punkt, das Eric-Emmanuel Schmitt in Kleine Eheverbrechen treibt. (...) Den Grundton setzt Christian Lugerth dabei eher Leonard-Cohen-melancholisch als komisch. Und Anke Pfletschinger und Christian Enner balancieren mit Lust und taumelnden Gefühlen auf dem wackligen Grat zwischen Nähe und Ferne, zwischen Anfang und Ende der Liebe. (...) Es funkt und friert zwischen den beiden, und manchmal irrlichtert zwischen ihnen auch nur der Nachhall einer nach 15 Jahren längst ausgewrungenen Beziehung. (...) Der Abend fließt so nachdenklich wie leichtherzig durch die fortwährenden Perspektivenwechsel zwischen Scheitern und Neubeginn. Ein Beziehungsspiel in geschmeidiger Wellenbewegung." (Kieler Nachrichten)
REVANCHE
"Andrew Wyke, den Christian Lugerth mit souveränem Zynismus ausstattet: Ein Gentleman, der sich und die Situation allzeit unter Kontrolle hat und nur im funkelnden Blick aus Augenschlitzen etwas von seiner Gefühlslage verrät. (...) Er spielt mit Tindle, als ob dieser eine Figur in einem seiner Bücher sei. (...) "Revanche" hat eins: einen höllisch intelligenten Plot mit Verblüffungsgarantie." (Badische Zeitung)
"Christian Lugerth gibt den Wyke smart und souverän, ist am besten, wenn dieser zynisch und böse wird. (...) Vergnüglicher und spannender Krimiabend!" (fipps-freiburg)
"Christian Lugerths Wyke ist undurchschaubar, nicht eben symphatisch, man weiß nicht recht, ob man ihm trauen würde. Er ist ein Zyniker mit zahlreichen Ticks, der sich als Regisseur seines Hauptdarstellers Tindle sieht. Was sich aus dieser Situation ergibt, ist ein undurchsichtiges Spiel, das für die Beteiligten zahlreiche Demütigungen und verzweifelt - komische Rettungsversuche und inszenierte Possen, für den Zuschauer jedoch seine spannenden Seiten bereithält." (kulturjoker Freiburg)
THE KRAUT
"(...) Es ist eine bravouröse Vorstellung von großer Intensität, die dem Zuschauer für 75 Minuten die voyeuristische Nähe zu einem Mythos gestattet. Und weil in dieser Inszenierung von Christian Lugerth alles perfekt wie am Schnürchen läuft, gab es bei der ausverkauften Premiere am Samstagabend großen Beifall für die großartige Petra Soltau und natürlich auch für Christian Keul, der in der Rolle des Dieners Bernhard Hall als vorzüglicher Klavierbegleiter glänzt und die Diva anhand ihrer alten, unvergessenen Lieder durch ihre Vergangenheit führt. (...) Lugerths Inszenierung rückt die Zeitzeugin Marlene Dietrich, die ein ganzes Jahrhundert überblickt, in den Mittelpunkt. Fragen quälen sie: Hätte sie dem Werben der Nazi-Größen nachgeben und nach Deutschland zurückkehren sollen? Hätte sie Adolf Hitler verführen sollen? Wäre die Katastrophe des Krieges zu verhindern gewesen? (...) Alles in allem: ein köstlicher, unterhaltsamer Theaterabend mit viel Musik." (Gießener Anzeiger)
"(...) Und wenn Petra Soltau ans Mikrofon tritt, trifft sie den typischen Dietrich-Ton haargenau. Ob nun als »fesche Lola« oder im Fronteinsatz vor amerikanischen Soldaten - sie macht immer eine gute Figur. Das Stück von Heidicke hat Witz. Immer dann, wenn die Dietrich über Kolleginnen lästert, aber auch selbstironisch in den eigenen Spiegel blickt. Regisseur Christian Lugerth geizt nicht mit kongenialen Einfällen, hält die Balance zwischen sentimentalem Rückblick und der Tragik einer einsamen Frau, die sich im hohen Alter - Marlene Dietrich starb 1992 mit 90 Jahren - ihre eigene Beerdigung ausmalt. Erfüllungsgehilfe für ihren letzten großen Auftritt soll Sekretär Bernhard Hall sein, den sie als Haushälter in ihrer beengten Wohnung herumscheucht. Doch Christian Keul staubt in seinem Part nicht nur gründlich die vielen Utensilien ab, die Ausstatterin Mila von Daag als Versatzstücke der Vergangenheit angesammelt hat. Er ist es auch, der Petra Soltau bei ihren Marlene-Songs am Klavier adäquat begleitet und augenzwinkernd manch kleinen musikalischen Scherz eingebaut hat. Das begeisterte Publikum erklatscht sich bei der samstäglichen Premiere zwei Gesangszugaben, die das bestens harmonierende Duo gern erfüllte." (Gießener Allgemeine)
"(...) Im Theaterstudio im Löbershof lassen Petra Soltau (Marlene Dietrich) und Pianist Christian Keul das Leben des Weltstars lebendig werden. Regisseur Christian Lugerth kann die einmalige Karriere von 60 Jahren zwischen Europa und den USA in knapp 80 Minuten eindrucksvoll präsentieren. Mila van Daag hat das Pariser Appartement, in das sich die Diva zurückgezogen hatte, mit Fotos, Kostümen und gealterten Möbeln ausstaffiert. Dort bewegt sich die verbittert gewordene Künstlerin am Rollator und im Rollstuhl. Ihr Rückzug entsprach dem Wunsch, ihr Bild in der Öffentlichkeit zu bewahren und zu schützen. In einem inneren Monolog, durch Bombengewitter und Musikzitate unterbrochen, navigiert Soltau durch das theatralische Leben des legendären "Blauen Engels" als Kommentar zur Zeitgeschichte. Ihre teilweise zynischen, aggressiven, sinnlichen Erinnerungen sind durchbrochen durch bekannte und unbekannte Songs, die jedoch nicht als Nummernprogramm serviert werden. Dies auch Verdienst des Pianisten, der locker und pfiffig begleitet, Alkohol serviert, das Zimmer mit Inbrunst putzt, sich als neutraler Befehlsempfänger erweist. Mit einer facettenreichen Stimme kommt Petra Soltau der Ikone sehr nahe, ohne sie zu kopieren oder zu karikieren. Die "fesche Lola", bis zur Unerträglichkeit geträllert, wird genervt abgebrochen, eine Hassliebe zur Musik von Kurt Weill kurz angesungen, die aufmunternden Songs vor den amerikanischen Truppen geschmettert, auch "Lili Marleen" und der "Koffer in Berlin" als unvergessene Ohrwürmer. Ohne Zugabe kommen die beiden Künstler nicht herum. Die "fesche Lola" wird nochmals unlustig bemüht. Tiefer geht ein relativ unbekanntes Lied, "Mutter, hast du mir vergeben?" Langer und intensiver Applaus dankt allen Künstlern." (Wetzlarer Neue Zeitung)
„Eigentlich hatte ich mir von der Vorstellung des Stadttheaters Gießen in der JVA Hünfeld nicht allzu viel versprochen. Meine eigene Bühnenerfahrung und die Vorliebe für klassische Stoffe lies mich Schlimmstes befürchten. Dabei galt meine größte Sorge dem Tageslicht im Saal. Theater muß verzaubern und im Sonnenschein wollen Träume einfach nicht gedeihen. Doch ich hatte mich kaum gesetzt, die abgeklebten Fenster wohlwollend zur Kenntnis genommen, das Bühnenbild auf mich wirken lassen und ein bißchen Theaterluft geschnuppert, da war ich mir sicher: Das wird sich lohnen. (…) Das Stück hat Witz und hohen Unterhaltungswert immer dann, wenn die Dietrich in ihren Erinnerungen schwelgt, wenn sie mit dem Kulturbetrieb und der Mittelmäßigkeit der Nazis abrechnet. (…) Vielmehr lobt sie all die emigrierten Regisseure, Drehbuchautoren und Darsteller, die vor dem Rassenwahn der Nazis aus Deutschland fliehen mußten. Doch ist dies Lob gleichzeitig mit einer bitteren Abrechnung Hollywoods verbunden: „Was wäre Hollywood ohne all die jüdischen Emigranten? Es wäre Cowboy – Land!“. (…) Improvisationstalent beweist die Soltau wenn sie das Publikum, das nur aus Männern besteht, wie einst die Dietrich die GIs an der Front, direkt mit „hey boys“ anspielt. Als sie von all ihren Liebhabern und –innen schwärmt geht ein Raunen durch den Saal. Und ähnlich wie die ausgehungerten Frontsoldaten, tobt der Saal, wenn sie, wie einst die fesche Lola im „Blauen Engel“ Bein und Strapse zeigt! (…) An dieser Stelle dankt die Redaktion im Namen aller Zuschauer für die fantastische Vorstellung, die uns die Tristesse und Monotonie des Knast – Alltags für kurze Zeit vergessen lies. (…) So sehr die Veranstaltung mich verzaubert hat, so sehr wurde mir nach diesem „Blick über die Mauer“ meine Gefangenschaft bewußt. Das schmerzt, gibt aber gleichzeitig auch Hoffnung für die Freiheit. Hoffnung und Lust auf Teilhabe am kulturellen Leben.“ (Einblick – Gefangenenzeitung der JVA Hünfeld / verfaßt von ca. Danke dafür!)