AKTUELLES
(gießen, den 27. april 2017) Morgen wäre Horst-Eberhard Richter 94 Jahre alt geworden. Vorgestern war ich in Frankfurt und schaute und hörte Dylan. Gestern hatte ich morgens um neun (in Zahlen: 9) eine Bauprobe in Hildesheim. Nicht wirklich. Aber als "Emma" auf die Bühne rollte, war alles gut und gnädig. Heute nun las ich den ganzen Tag ein neues Buch. Davon wird bald der gloriose Herr Mahler berichten, den ich - möge er verzeihen - vor langer Zeit auf eine Odyssee schweigender Selbsterkenntnis gesandt hatte. Heut in der Früh stand der liebe Claus, für den wir letzten Monat zu seinen und Anne's 70ten im Gießener Ulenspiegel viele Dylanlieder sangen, vor meiner Haustür mit dem Livemitschnitt von vorgestern in der frisch gebrannten Hand. Den etwas zu lauten und höhenmäßig komplett überfidelten Sound von vorgestern höre ich auf dem Silberling nicht mehr. God knows. Nun, der Meister scheint doch sehr gebrechlich. Das darf man sein. Vielleicht muß man es sogar sein, um seiner Seele das eigene Nachlassen zugestehen zu können. Als ich nach dem Auftritt im Hotel in Frankfurt lag, jubelte vor der Tür ein erfolgreiches Elfmeterschießen. Es kostete mich Schlaf, aber ich gönnte es ihnen. Über den gestrigen Kickerabend: Schweigen und Geständnis: ich war so fertig, daß ich die zweite Halbzeit komplett verpennt habe. Das wichtigste von vorgestern hätte ich fast vergessern. Vorbereitend saß ich im Moseleck an der Theke, die Musikbox versendete in harter Rotation "Ein neue Liebe ist wie ein neues Leben", "Es fährt ein Zug nach nirgendwo" , "Griechischer Wein" und "Moskau". Dann rief mich der liebe Markus Dentler aus Kiel an und bot mir für Anfang September im Rahmen eines Kulturaustausches in Kaliningrad einen Auftritt an: ein bisserl Dylan zu singen.
(gießen, den 24. april 2017) Als mich am Tag nach der Premiere ein Freund, der das Richter - Projekt "Flüchten oder Standhalten" mit Empathie verfolgt hatte, fragte wie es am Vorabend gelaufen sei, antwortete ich: "Jetzt würde ich gerne mit der Arbeit anfangen!" Es ist seltsam, trotz des großen Zuspruchs seitens des Publikums, der meisten Kollegen und vor allem dem ehrlich gemeinten Lob der anwesenden Familie und vieler Weggefährten Richters, trotz einer sehr wohlmeinenden Presse und trotz der Tatsache, daß alle Vorstellungen bis zum Sommer ausverkauft sind, in mir überwiegt ein etwas schales Gefühl von Leere. Schon als mir letztes Jahr das Ding angeboten wurde, überwogen die Zweifel an der sinnvollen Machbarkeit der ganzen Angelegenheit. Ich haderte lange, bis mir ein möglicher Zugang ins Hirn kam und immer noch scheint mir mein damaliges inneres Murren seine Berechtigung zu haben. Vielleicht liegt es aber auch daran, daß mannigfaltige Gründe, die hier auszubreiten nicht der Ort ist, es verhinderten, daß sich ein für mich existentiell wichtiger "Flow" nie wirklich einstellte und ich zudem - für meine Verhältnisse - doch zu viele halbgare Kompromisse eingehen mußte. Aber vielleicht ist auch nach "Patentöchter" und "RIO" der "Polit - Regisseur" Lugerth am Stadttheater Gießen einfach komplett auserzählt. Und es ist mir leider nicht gelungen den Satz Richters, der seit Wochen die Startseite hier ziert ("Die Weigerung, den Grund für sein Mißlingen in sich selbst zu bearbeiten, ist gefährlich.") in allen Hirnen des Teams zu verankern. Nichtsdestotrotz: viele in der Stadt sind froh und dankbar, daß wir an den"großen alten Mann" erinnert haben, daß wir sein Werk und Wirken gewürdigt haben und es aus der schon lange eingesetzt habenden Düsternis des Vergessens zerrten. Morgen Reise mit der Band nach Frankfurt zu Mr B. Dylan und dann befasse ich mich mit Puppen und Scheinriesen. Viel Freude und der Aufbruch Richtung Leichtigkeit.
(gießen, den 6. april 2017) Es ist immer gut, wenn man - falls man überhaupt darüber verfügt - Verantwortung abgeben kann. Gut, da gibt es Menschen, die leider gegensätzlicher Ansicht sind. Der LahnDylanKreis jedenfalls ist höchsterfreut, daß der Meister nun in Stockholm seinen Nobelpreis in Empfang genommen hat. Gesungen hat er auch noch nebenbei. Wir waren gerne Stellvertreter, so letzte Woche auch im Gießener Ulenspiegel - vorbereitende Maßnahmen in Sachen Preisübergabe - bei einem kleinen Doppelgig. Großartig war es! Erstmalig mit Posaune. Danke, Herr Jamin! Oben die Verbeugung. Paar Bildchen hier. Und die Proben zum Richter - Projekt fordern einen Tag in Gänze. Aber an etlichen Ecken und Enden der Stadt Vorfreude. Presse eins. Und da mehr.
(gießen, den 10. märz 2017) Endlich geht es los nächsten Montag mit den Proben. "Flüchten oder Standhalten!" Neben meinem Schreibtisch, in meinem Hirn, in den angelesenen Büchern und da, wo ich sie gelegentlich finde: Zettel, Schnipsel, Fragmente, Spuren, Verweise. Etliche Gespräche mit Weggefährten, Beeinflußten, einigen Zweiflern auch, sehr Dankbaren wiederum und und und geführt. Sehr sehr viel erfahren. Hoffentlich was gelernt. Jetzt endlich nicht mehr alleine. Zusammen mit dem Team den Abend erfinden und das Material ordnen. Bilder dafür suchen. Darstellen. Und beiläufig teilt mir das Theater heute mit, daß die Premiere schon ausverkauft ist. Schluck und Druck! (Kein neuer Bandname!) Pünktlich zu den morgen ebenso beginnenden Bandproben wirft der Meister neualtes Material in die Umlaufbahn. Die Einladungen: hier ein Link. Dort ein Link.
(gießen, den 16. februar 2017) Vor jetzt auch schon wieder einer Woche, als ich beim Schlußapplaus zum zweiten Mal auf die Bühne ging, standen sie alle und Ivan sah aus wie ein Boxer nach einem 15 - Rundenkampf gegen Muhammad Ali. Aber er war klarer und eindeutiger Punktsieger. Das war eine intensive Arbeit und ich war sehr glücklich und erleichtert darüber, daß der Darsteller das Riesenteil gepackt hat. Und vor allem die Zuschauer beim Herz und beim Verstand. Und unser Premierengast Rene Böll lobte ausdrücklich die Monologfassung, die wir erstellt hatten. Und - last but not least - tat dies ausdrücklich Frau Tanja Müller vom Rowohlt - Verlag. Und die Presse klatscht. Besser geht es nicht. Doch! Anschließend war ich mit der Liebsten mit der STENA nach Göteborg gefahren. Hier der Blick aus unserem Hotelzimmer. Und jetzt gibt Heinrich Böll den Staffelstab weiter an mein nächstes Projekt. Hier in Gießen. Premiere am 21. April 2017. Ich bleibe - standhaltend - Moralist. Bald mehr davon.