AKTUELLES

(gießen, den 5. september 2017) Darf ich mich nun als Rußlandversteher bezeichnen lassen? Rinks rum oder lechts rum? Wäre nach vier äußerst intensiven und angefüllten Tagen (Ja ja, die russische Festtafel und die Trinksprüche und das „Wässerchen“ und das nächtliche Absingen von Liedern und das Klischee, wenn es nun mal lebt, das ist halt das Leben!) mehr als vermessen. Ich sag mal so: bezeichnete mich jemand als einen solchigen, beschimpft käme ich mir nicht vor. Wir wurden betreut, bewirtet, rumgefahren, eingeladen, angeregt, sehr dezent beäugt und es gab etliche Begegnungen, auf die ich hocherfreut zurückblicke und dafür sehr dankbar bin. Beim Festbankett nach unserem gemeinsamen Auftritt fragte mich die Pianistin des Tilsit - Theaters: "Haben Sie Angst vor uns gehabt?" Ich mußte verneinen. Na Sdaròwje! Vielleicht ist der unterzeichnete Kooperationsvertrag zwischen den Komödianten aus Kiel und dem Tilsit–Theater der Anfang eines intensiveren Austauschs. Ich bin dabei. Und gänzlich ohne Vodka in der Hand ein balschòje ßpaßiba an die Kieler für die Einladung und an alle in Sovetsk für die großartige Zeit. Der Abschied war wunderbar sentimental. Kleine Augen und Winken in großer Formation! Pakà! Ein bisserl Pathos tut gelegentlich gut. Hier Eindrücke aus erster russischer Hand. Und bevor ich es vergesse (Hurra Coincidencia!): in Tilsit haben sie am Freitag Premiere mit einer Bearbeitung von Jerofejews "Moskau - Petuschki". Das Ding habe ich in den 90ern auch gespielt. Kak äta nasywàjitza TOITOITOI pa-rùßki?

(gießen, den 28. august 2017) Ich stehe gerne geduldig in der Schlange, in der Andere ebenso geduldig warten. Ich bestelle mein verhalten schäumendes Pale Ale gerne am Tresen und zahle gleich und nicht später und gehe am Grunde des Pints ohne Gezappel. Ich kann sogar eine störungsfreie Beziehung zu MARMITE aufbauen. Ich entschuldige mich lieber dreimal zu oft wegen einer Nichtigkeit. Ich verneige mich gerne und ergriffen vor Inseldenkmälern. Und wenn die ungezählten Hunde hinter und neben mir hecheln ohne zu kläffen, dann bin ich in England und fühle mich dort sehr wohl. Es war ein wunderbarer Inselurlaub und - lieber Kontinent - über das Wetter würde ich diesen Sommer nicht mit Albion streiten wollen. Jetzt ganz langsam sich wieder der Arbeit annähern und das fällt mir nach der letzten in jeglicher Hinsicht fürchterlich zehrenden Spielzeit immer noch sehr schwer. Deshalb fliehe ich jetzt - wie unlängst angekündigt - mit den Kieler Komödianten anläßlich eines viertägigen "Kulturaustausches" erst mal nach Sowetsk. Und danach ist wohl meine letzte Gnadenfrist endgültig abgelaufen.

(gießen, den 27. juni 2017) Bis gestern stand hier noch ein anderer Text und obendrüber ein anderes Bild. Das erste Mal, daß ich etwas hier Veröffentlichtes gelöscht habe. Grund: unnötige Geschwätzigkeit meinerseits und Rumgeeier. Ich hatte letzte Woche die Regie für "Avenue Q" in Bielefeld niedergelegt. Wenn die Spannungen zwischen Dir, den Spielern und dem Genre ein orchestergrabentiefes Loch entstehen lassen und die, mit denen das Konzept abgestimmt wurde, nur noch aus den Augenwinkeln wahrzunehmen sind: Zeit zu gehen. Und dann den Schmerz einer miesen Niederlage aushalten und auf einen Mordsbatzen Geld verzichten. Ich hoffe sie bleiben fair da oben in NRW. Jetzt freu ich mich auf den Samstag (No rain! No rain! No rain!) und auf den Special Guest.

 

Nachtrag vom 2.7.17: Kein Gig. Sehr schade. Das Wetter war fies und mies. Aber die Band und die Gäste hatten noch einen sehr schönen Abend anderweitig. Oktober stehen wir wieder auf der Matte. Schönen Sommer allen!

(bielefeld, den 9. juni 2017) Jetzt schon fast drei Wochen auffem Dorf vor Bielefeld. Schildesche (s.o.) Sieben ÖNV - Stationen lediglich bis zum Theater und dennoch eine eigene Welt ante portas und die besten Vermieter ever. Ein kölscher Schauspieler, seine Kieler Frau und vier klasse Kinder. Die nicht vorhandene Stadt und das sehr präsente Theater haben mich freundlichst empfangen. Die Arbeit ist nicht ohne. Keine Katastrophen, jedoch Fremdeln. Ich als Musicalregielaie mit Stück, Ritualen und Herangehensweisen. Teile der "Cast" - eines der vielen selbstverständlich kursierenden, mir noch fremden Anglizismen - fremdeln verständlicherweise mit mir und Überzeugungsarbeit ist halt Überzeugungsarbeit. Klappt oder klappt in Teilen. Das ist alles in Ordnung. Zusätzlich dazu stehen nicht nur acht Darsteller auf der Probebühne, sondern auch noch elf Puppen, welche respektvoll behandelt werden wollen. Sie verlangen, daß man sich mit ihnen befasst als seien sie Menschen, hinter sie zurücktritt, während man ihnen seine Emotionen zur Verfügung stellt. Das Faszinierende ist, tut man das, beginnen sie zu leben. Wie es unser wunderbarer Puppentrainer ausdrückte: "Eine Puppe ist kein Handschuh!" Desweiteren hat Meister Zimmermann seine Nobelpreisrede gesungen, rezitiert, vergessen? Watch a great piano!

(bielefeld, den 21. mai 2017) Letzte Woche knappe sechs Tage auf der Insel Pellworm verbracht. Wußte gar nicht, wie gut das tun kann. (Tipp: Leute: da nicht hinfahren. Da isses dermaßen langweilig und ruhig. Und Krabbenbrötchen kosten zur Zeit über sieben Euro!!!) Das unerwartete Zusatzglück: mein Mobiltelefon funktionierte vor Ort nicht (schwächelnder Anbieter!) und dann wurde auch noch der lokale Handymast repariert. Freude! War eigentlich nur als eine Art Zwischenstopp auf dem Weg zur WA von "Szenen einer Ehe" in Kiel geplant. War jedoch mehr als notwendig nach den letzten zwei / drei Monaten in Gießen. In Kiel dann: Liegt ein Stück dreizehn Monate, ist das zu lang und man hat wirklich mit der Wiederbelebung der Veranstaltung zu tun. Hat aber funktioniert. Jetzt sitze ich in dieser Stadt, welche es angeblich nicht gibt und fange morgen an zu proben.