AKTUELLES

(gießen, den 8. dezember 2017) Das Arbeitsjahr und meine Kräfte stolpern aufs Ende zu, aber das Gestade des angesteuerten Eilands namens einstweilige Ruhe ist in Sicht, auf dem steilen Weg dahin wartet jedoch noch eine richtig pralle englische Woche. Ab Montag die Endproben Judas. Mittwochs nach der Generalprobe eine kleine musikalische Lesung mit einem Kollegen, mit dem ich schon länger mal auf der Bühne sitzen wollte. Freitags die Premiere. Samstags die Band. Und an Sonntagen kann man den Clown betrachten. Dann iss aber auch gut. Und ein Kostüm aus Hildesheim wurde am 8.12. in den Adventskalender der nachtkritik geklebt. Sehr schön das alles.

PS: Nächstes Jahr werde ich vom Theater etwas Abstand nehmen. Viele Bundesligatrainerposten in Griffweite.

(hildesheim, den 19. november 2017) In meinem Alter muß man sich ohne pathetisches Getwitter daran gewöhnen, daß sich die Helden des jugendlichen Plattenschrankes zur Ruhe legen. Der, welcher gestern ging, ist meiner Ansicht nach einer der ganz ganz Großen und das hat viel mit Theater zu tun. Heute las ich in der WELT über den Verstorbenen: "Wenn man Malcolm Young mit einem Metronom in den Keller sperrt, kommt nach einer Stunde das Metronom raus und sagt: ich kann nicht mehr." Ende September 1977 sah ich AC / DC auf ihrer ersten Deutschlandtour in der nicht mehr vorhandenen Scheffelhalle in Singen. Eine Erweckung. Zu der Zeit lief in unserer "Zehn Jahre zu spät aber dennoch konsequent gelebt Post Hippie Kommune M8a zu Konstanz" vornehmlich bekiffte Pseudointelligenzmucke wie Yes / Gong / Van der Graf Generator / Mahavishnu Orchestra / early Genesis / Todd Rundgren / Chick Corea und das ganze damals übliche Fusiongezappel. 60 Noten in 30 Sekunden und ach sind wir alle vom Witz und mit Ironie gesegnet. Und dann sehe ich die nach Australien ausgewanderten und wieder nach England heimgekehrten Prollrocker, mein Unterkiefer klappt nach unten weg und ich bin glücklich. Meine damalige liebe Hippiefreundin verweigerte nach meiner euphorisch trunkenen und leider nicht bekifften Heimkehr über gute drei Wochen jeglichen engeren Kontakt mit mir. Was das mit Theater zu tun hat? AC / DC ist Reduktion. Die Rückkehr zum Kern der Geschichte, die es zu erzählen gilt. Der große Bruder Malcolm hält den Laden zusammen, lässt Angus über die Bühne toben, klagt nicht und bleibt präzise. Siehe Witz oben. Das bewundere ich. Weniger bleibt immer soviel mehr, wenn man die Sache liebt und ein bisserl weniger sich selbst. Der Höhepunkt des Gigs zu Singen: Irgendwann wurde Angus von einem Roadie auf den Schulter durch das Publikum getragen und exekutierte das Solo von "High Voltage" und da war kein Kabel an der Stromgitarre. Meister Yogi, der damals in der legendären Konstanzer Band "Baba Yaga" die Doppelhalsgitarre malträtierte (es war fürcherlich, aber wir bewunderten ihn alle!), flüsterte mir zu, als ich ihn ratlos anblickte: "Des isch des Neuschste us Amerika, des isch ä Funkgitarre! Die braucht kein Kabel!" Kurz danach wurde die Scheffelhalle abgerissen. Jetzt steht da ein Ding namens Lidl oder Penny oder Netto. Das Billige ist der Tod der Präzision und Disziplin tut not. Zurück zum Theater und der Einfachheit. Der nächste LahnDylanKreis - Gig eröffnet vielleicht so.

(hildesheim, den 18. november 2017) Die Zeitung aus Hildesheim fügt ihren Besprechungen immer eine Kritik für Eilige bei. Eine Art Sternchenbewertung, wie ich sie eigentlich nur aus den Plattenbesprechungen des "Rolling Stone" kenne. Nun, wir haben in allen fünf Kategorien vier von fünf möglichen Sternen abgeräumt. Ehem: fast. Sorry Reverend Keul: Mucke "nur" drei Stellas. Frechheit! Aber fünf Sterne kriegt eh nur der Meister. Ich freue mich, habe aber kaum Zeit dazu, weil ich nach der Premierenfeier (ein Wein mit "Vermittler" Gerd M., der vorbeischaute) direkt weitermachen mußte und muß. Die Tourstaffel fordert ihr Recht. Vorbericht. Die Kritik hier.

(hildesheim, den 22. oktober 2017) Nun bin ich schon seit vier Wochen in Niedersachsen. Unterbrochen von einem Ausflug in Sachen Wiederaufnahme in den lieben Breisgau. Ich hatte schon Manschetten davor ein so komplexes Ding, welches weit über ein Jahr lag, verantwortungsvoll auf die Bühne zurück zu begleiten. Hat aber funktioniert, weil die Schauspieler gut vorbereitet waren. Dank dafür. Auch in Hildesheim ist die Arbeit nicht ohne. Ein Stück darf ich inszenieren, aber mit zwei Teams. Eines bespielt das Haus vor Ort, das andere managt die etlichen Abstecher. Aufeinander eingespielte (ältere) Ensemblemitglieder hier, zusammenengagierte und sehr junge Truppe da. Morgens so, abends anders. Und andersrum dann wieder. Nicht ohne, aber der Spaß überwiegt. Und da wir gerade bei den Doppelungen sind: nächstes Wochenende zu Gießen: Großes Haus. Kleines Haus. Danach.

 

(Nachtrag vom Reformationstag 2017) Die WA Rio hat stattgefunden. Große Freude der Truppe mal wieder bei der Arbeit zusehen zu können. Der Clown jedoch kam nur bis Hamburg und entfiel deshalb. Dank Herwart!

(gießen, den 16. september 2017) Diese Woche die Ansichten eines Clowns von Kiel nach Gießen versetzt. Hat geklappt. Erfreutes Publikum und ernsthaft wertschätzende Presse. Etwas überrascht war ich während der GP, wieviel der Schnier'chen Wut und Desillusionierung ich in mir wiedererkannte. Großer Spiegel. Erfreut war ich jedoch, daß der Abend (siehe zweite Presse) zu meiner ganzen Freude wohl etwas transportiert, was mir sehr wichtig ist und wovon ich auch gestern in einem empfehlenswerten Interview mit dem Schauspielerpaar Selge und Walser im Magazin der SZ las: Glaubwürdigkeit. Edgar Selge: "Dieter Dorn fragte immer nach der Glaubwürdigkeit. Und der Schauspieler soll sich erst mal gar nicht darum kümmern, was seine Figur tun würde oder nicht. Spiel diese Situation mit Deinem Partner, schau ihn dabei wirklich an und nimm ihn als das, was sie oder er ist. An diesem Zipfel des Bettuchs habe ich bis heute festgehalten." Sehr schön, vor allem denk ich an letzten Juni in mancher Nacht. Jetzt ein paar Bandproben für das nächste LDK - Programm und in einer Woche nach Hildesheim und Mister Keul kommt mit und komponiert die Musik. Foto oben: da sitze ich im Garrison Theatre, einer Frontbühne auf der den WK 2 - Soldaten, die sich auf den D - Day vorbereiteten, die Angst vor dem Tod wegunterhalten werden sollte.