KRITIKEN

vieles bleibt so wie es nie werden sollte

"Von der DDR ist 30 Jahre nach ihrem Ableben gerade wieder ordentlich die Rede. Und so passte das Solo von Musiker und Theatermacher Christian Lugerth über den ostdeutschen Liedermacher Gerhard Gundermann hervorragend in die Pankratiuskapelle. „Vieles bleibt so, wie es nie werden sollte“, lautete der Untertitel des Programms, ein Zitat des ebenso wortstarken Poeten und Baggerfahrers aus dem Osten. Lugerths sehr musikalischer Abend erwies sich dabei als ebenso unterhaltsam wie nachdenklich und ging im Nu vorbei.

Gundermann (1955 – 1998), Baggerfahrer im Kohletagebau, galt etwa ab den Achtzigern als Sprachrohr der Menschen im Bergbaugebiet der Lausitz und ist in einem Atemzug mit Udo Lindenberg zu nennen. „In den Kirchen der DDR hat alles angefangen“, sagte Christian Lugerth. Der Gießener stolperte irgendwann über die Figur Gundermann, las seine Biographie und hörte seine Musik. Zum Tag der Deutschen Einheit fragte er provokant, „Warum feiern wir diesen Tag und nicht den 9. November, den Tag der Maueröffnung und der sogenannten Reichskristallnacht 1939? Da könnte man beide Seiten der deutschen Seele zeigen.“ Das will offenbar niemand, es ist ja auch ein bißchen weit hergeholt, aber die Besucher in der Kapelle murren jedenfalls nicht.

Gerhard Gundermann, ein gradliniger und überzeugter, aber nicht systemkonformer DDR – Bürger, thematisierte nach der deutschen Vereinigung politische und soziale Themen im Osten. Davon nahm man hierzulande jedoch kaum Notiz. „Gundermann beschrieb den Tod seines eigenen Landes,“ sagt der in Konstanz geborene Lugerth, der Verwandtschaft in Thüringen hat.

Man lernt Gundermann, wenn auch etwas fragmentarisch, ganz gut kennen an diesem Abend in der Pankratiuskapelle. „Niemand hat das Recht, Schuld nach oben abzuschieben“, sagte er einmal und in den Liedtexten wird eine lebendige, anteilnehmende Auseinandersetzung mit seinem Land deutlich. Dabei erweist sich der „Baggerfahrer und Liedermacher“, der auch als er von seiner Musik schon leben konnte, nie mit der Industriearbeit aufhörte, als poetischer, sehr präziser Texter und auch Dichter von hoher Güte. Einmal heißt es über „Die Verantwortlichen“ für die Misere der DDR bitter: „Sie sollen ihre Schuld abarbeiten, unten in der Scheiße und zum gleichen Lohn.“

Der Abend wird zu großen Teilen von der Musik eingenommen, was den Kontakt mit Gundermann verblüffend einfach macht, denn der Lausitzer formulierte in unbeirrbar scharfzüngiger Sprache und verblüffender Pointierung. („Die Zukunft ist eine abgeschossene Kugel“)

Eindrucksvoll ist auch die gedankliche Tiefe der Texte und des Nachdenkens dieses Baggerfahrers, der sich im dichterischen Metier mit den Größen seiner Zeit ohne Weiteres messen konnte. Der Zustand und die denkwürdigen Umstände der Wiedervereinigung – etwa keine gemeinsame Hymne, keine gemeinsame Verfassung – beschäftigten ihn („Wenn Himmel (Heimat war gemeint. Gruß vom Säzzer) wegbricht“), er schrieb Titel wie „Heimatanalyse“ oder Gedanken zur eigenen Befindlichkeit. „Im Herzen Asche, in den Adern Alkohol“ („Brigitta“). Nach seinem letzten Konzert 1998 erlitt mit 43 Jahren einen Hirnschlag.

Wahrhaft berührend ist sein Song an die Erde: „Halte durch“: Darin heißt es „Bist doch ein erfahrener Planet, wir machen Dich zur Sau“, „Flora ist schon fast k.o., Fauna stirbt in irgendeinem Zoo“. Schon 1988 verfasste Gundermann diesen hellsichtigen Text.

Ein anderes Sprachbild entsteht mit dem „Bus ins Paradies“, einem Text zur Wiedervereinigung: „Wir haben so lange gewartet auf den Bus ins Paradies“. Aber die Insassen wollen sie nicht mitnehmen, obwohl noch Platz ist, nur ein paar schaffen es rein. „In dem Moment geht der Bus kaputt“ und der Fahrer sagt: „Streitet euch nicht, der Bus ins Paradies fällt aus“ (Text: „Liedgefährten“)

Christian Lugerth legt in seinem Spiel eine gewisse dylaneske Intensität an den Tag, wenn er die eingängigen Akkorde Gundermanns wiedergibt. Sein Gesang, klar und sauber, gibt auch von der klugen Stimmführung her den Duktus des Lausitzers gut wieder. So wird der Liedermacher durch seine Lieder lebendig, die man ganz authentisch zu hören bekommt. Die eingeblendeten, teils sehr kritischen dokumentarischen Texte unterstreichen die Kontraste rund um die innerdeutsche Problematik, und man kommt irgendwie zu der Frage, wie dieser Teil des Volkes wie ungebetene Gäste behandelt werden konnte.

Die Zuschauer sind sofort ganz dabei an diesem kritischen und inspirierenden Abend und spenden zum Schluß heftigen, anhaltenden Beifall, Lugerth spielt eine Zugabe." (Heiner Schultz / Gießener Anzeiger)

 

Das Programm wird bei zwei Zusatzterminen am 16. Oktober und 6. November jeweils um 19.30 Uhr wiederholt. Anmeldungen per Mail unter christian@lugerth.de

TANKSTELLE FÜR VERLIERER

„Ein Phänomen: Auch 30 Jahre nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs war jeder fünfte Westdeutsche noch nie in einem der fünf hinzugekommenen Bundesländer. Allein angesichts der sich in dieser Zahl ausdrückenden Ignoranz scheint es noch immer dringend geboten, „den Westen an den Osten zu erinnern“. Diesen im Untertitel formulierten Versuch unternimmt nun der Gießener Theatermacher Christian Lugerth in seinem Stück „Gundermann“. Bei der Uraufführung am Donnerstagabend auf der taT-Studiobühne war eine atmosphärisch dichte, musikalisch-poetische Annäherung an den „Bob Dylan des Ostens“ zu erleben, in der sich zugleich gleich zwei untergegangene Welten vor dem Publikum auftaten.

Gundermann, das war ein bis heute im Osten der Republik innig verehrter, im Westen weitgehend unbekannt gebliebener Liedermacher, der eine ganz besondere, aber leider auch allzu kurze Karriere machte. Der „singende Baggerfahrer“, ein Kind der Lausitz, setzte sich in seinen ungemein bildstarken Liedern immer wieder mit seiner Heimat und der Arbeit im Tagebau auseinander. Und er verkörperte auf besondere Weise die Widersprüche, die das Leben in der DDR ausmachten – zwischen Renitenz, Anpassung und innerer Emigration. Seine Geschichte schilderte vor einem Jahr Regisseur Andreas Dresen in einem brillanten Spielfilm, der den 1998 gerade 43-jährigen, an einem Hirnschlag gestorbenen Gundermann auch hierzulande erstmals einem breiteren Publikum bekannt machte. Und auch für Christian Lugerth war dieses Werk eine Inspiration, sich mit der charismatischen Figur des Musikers auseinanderzusetzen. Doch er nähert sich ihm nun auf eine ganz andere, assoziative Weise. Biografische Details werden auf der Theaterbühne nur angedeutet, stattdessen weist das Stück über die einzelne Biografie hinaus.

Zusammen mit seinen gleichermaßen überzeugenden Darstellern David Moorbach, Esra Schreier und Sascha Bendiks setzt der Regisseur vor allem auf die Musik, die den Theaterabend strukturiert. An den Instrumenten wechseln sie sich mühelos ab, gespielt werden Gitarre, Bass, Klavier, Mundharmonika. Los geht es mit dem wunderbar melancholischen Stück „Weisstunoch“, in dem es heißt: „Wir wissen das alles was kommt / auch wieder geht / warum tut es dann immer wieder / und immer mehr weh“. Damit ist der Ton des Abends gesetzt. So erzählt das Quartett fortan in unterschiedlichen Rollen von dem rauen Leben der Arbeiter im Tagebau, von den Härten und Gefahren, von den Auseinandersetzungen mit arroganten Parteikadern, aber auch von dem Stolz, den diese Lebensform mit sich brachte. Das wird in kurzen Spielszenen angerissen, wenn ein Kumpel ein Orden verliehen bekommt, wenn in der Mittagspause Schnaps getrunken wird oder wenn ein Arbeiter seiner Freundin stolz die lärmende Fräsmaschine vorführt.

Natürlich bricht dabei immer wieder die große Politik in diese Leben hinein. Davon handeln auch die Texte, die Regisseur Lugerth für sein Stück ausgewählt hat. Zeilen von Heiner Müller, Brigitte Reimann oder Franz Fühmann geben dem Stück einen zusätzlichen Rhythmus. Aber der Regisseur setzt dabei seinen ganz eigenen Takt. Den Mauerfall handelt er in einem kurz von allen vier Schauspielern gebrüllten „Wahnsinn!“ ab, dann folgt schon ein Gedicht von Volker Braun, der sich darin tiefgründig mit den Gewaltexzessen eines Neonazi-Mobs in Hoyerswerda Anfang der 90er auseinandersetzt. Es geht um den Niedergang der Wirtschaft, um die Verwerfungen der Wendejahre. Und schließlich um die Enttarnung Gundermanns als Stasi-Spitzel. Zur Erklärung gab er Mitte der 90er an, er habe geglaubt, „es gäbe eine Ebene, auf der mir nur das Dienen zustünde“. „Auch das war Gundi“, sagt David Moorbach lakonisch.

So setzt sich ein umfassendes Bild zusammen, aus DDR und Wendezeit, aus Industriearbeit und den Härten des Alltags. 20 Jahre nach Gundermanns Tod wirkt all das eine weit entfernte Vergangenheit, die dennoch weit in unsere Gegenwart hineinreicht. Dieser Osten ist anders. Die Erinnerung an seine Geschichte – und natürlich an einen großartigen Liedermacher - ist dem Regisseur und seinem Ensemble unbedingt gelungen.“

(Björn Gauges, 16.11.2019, Gießener Anzeiger)

 

„Es muss auf die DDR-Bürger wie Hohn gewirkt haben. Da stand doch seit 1969 tatsächlich eine Weltuhr auf dem Alexanderplatz im Berliner Osten, auf der die aktuelle Zeit vieler Städte auf dem Globus angezeigt wurde. Doch selbst einmal in diese Städte zu reisen, war den meisten Menschen im Arbeiter- und Bauernstaat verwehrt. Und so fügt es sich gar trefflich, dass Lukas Noll ausgerechnet jene Weltuhr für das Bühnenbild zum Stück »Gundermann - Tankstelle für Verlierer« nachgebaut hat, mit dem Regisseur Christian Lugerth nun auf der taT-Studiobühne versucht, »den Westen an den Osten zu erinnern«. Rund 20 Lieder des baggerfahrenden DDR-Liedermachers Gerhard Gundermann liefern das Gerüst für die Mischung aus Konzert, Spielszenen und persönlichen Bekenntnissen, die sich unter dem Rund der Uhr in einer Symbiose aus Tagebau-Kantine und Probenraum abspielt.

Man merkt dem gut zweistündigen Abend an, dass Lugerth in Gundermanns Entdeckung - in der DDR war der ein Star, im Westen nahezu unbekannt - sein ganzes Herzblut gesteckt hat. Viel im Westen nicht unbedingt vorauszusetzendes Wissen über Gundermann wird dabei angenommen, was in den ersten Spielszenen das Verstehen nicht gerade einfach macht. Gut, dass das Publikum hier zumindest im Programmheftchen durch Dramaturgin Carola Schiefkes Text in Kenntnis gesetzt wird.

Es sei aber nicht die Person Gundermanns gewesen, die ihn so fasziniert habe, hatte Lugerth seine Textfassung vorab im Interview erläutert, sondern die unfassbar tief gehenden Texte des Rockpoeten. Und tatsächlich: die von Lugerth, Esra Schreier, David Moorbach und Sascha Bendix multiinstrumental und mit ungeschöntem Gesang vorgetragenen Songs rühren auch heute noch an.. (…) die Texte voller Melancholie und Heimatverbundenheit lassen auch Wessis nicht kalt.  (…) Zwischen den Liedern gibt es immer wieder kurze Spielszenen, die die von Thomas Döll in typische Achtziger- und DDR-Tagebau-Klamotten gekleideten Darsteller sprechen. (…) Schlaglichter aus dem DDR-Alltag: Pausengespräche über die Arbeitsbedingungen im Sozialismus, Liebesleid oder Planerfüllung. Für Wessi-Ohren entbehrt das nicht einer gewissen Komik, die auch im ironischen Text »Die Kuh im Propeller« von Michail Sostschenko anklingt. (…) Das Stück erzählt nicht Gundermanns Biografie nach, sondern ist eher ein Kaleidoskop der DDR-Geschichte, dem man eine gewisse Ostalgie nicht absprechen kann. »Ich denke, Sozialismus ist der einzig mögliche Ausgang der Geschichte. Wobei ich unter Sozialismus keine Ideologie verstehe, sondern einfach das Gegenteil von Egoismus«, lautet ein Gundermann-Zitat, das als Grundgedanke über der Inszenierung schwebt. Aber die Geschichte hat eben auch gezeigt, dass die Realität eine andere ist.

Eine Pause bildet eine Zäsur im Stück, so wie der Mauerfall für die Menschen in der DDR ein Einschnitt war - eine »Naturgewalt« und nicht das Ergebnis einer geplanten Revolution mit dem Ziel, so wie im Westen zu leben. Gundermanns Stasi-Spitzeltätigkeit wird aufgedeckt, in Hoyerswerda fliegen Molotowcocktails gegen ein Flüchtlingsheim, viele Menschen verlieren Arbeit, Lebensgrundlage und Heimat - und Gundermanns Lieder liefern den Soundtrack für das Gefühl dieser Zeit.

Ihm gehören auch die letzten Minuten des Stücks, wenn sein Lied vom friedlichen Abend erklingt. Aber auch Richard Schröder, der für die SPD sowohl in der Volkskammer als auch im Bundestag Abgeordneter war, wird zitiert mit dem Satz, dass der Westen »mit dem bisschen Anderssein der Menschen im Osten überfordert« scheint.

Wie fremd, und doch so nah die Realität in DDR und BRD war und immer noch ist, hat dieser Gundermann-Abend deutlich gemacht. Es ist eben Zeit, wie von Lugerth beabsichtigt, den Westen an den Osten zu erinnern, damit endlich einmal im positiven Sinne »Gras« über die deutsch-deutsche Geschichte wachsen kann, wie es das nach begeistertem Premierenapplaus als Zugabe gespielte Gundermann-Lied gleichen Titels assoziieren lässt.

(Karola Schepp, 16.11.2019, Gießener Allgemeine Zeitung)

 

"Das Gesamtpaket hat doch ein in seinen unterschiedlichen Schwerpunkten sehr berührendes Bild hinterlassen. Mein z.T. vorurteilsbehafteter, zumindest aber ziemlich gleichgültiger Blick auf dieses fremde Land und seine seltsamen Menschen hat sehr gelitten. Danke für diese neue, unbequeme Perspektive !"

(per E - Mail von der Gitarre des KollektivBeBob. Danke!!!!)

 

"A. hat mir vorgestern "Gundermann Revier" empfohlen. Hab es eben zu Ende angeschaut und bin schwer beeindruckt von der Dokumentation. Hab auch gemekt, daß du mit deinem Stück wirklich dicht an ihn rangekommen bist."

(per E - Mail von Götz Eisenberg)

WHISKEY AND SUGAR

„Bier oder Whiskey, Sommerbaden oder nicht, Pappurne mit Eicheldekor oder die federumflorte Königsversion einer Urne? Die beiden einander bis eben noch gänzlich unbekannten Damen haben widersprüchliche Vorstellungen, was die Zuschreibungen für eine gewisse „Margot“ und ihr Leben angeht. "O Gott!" Die von Bühne und Fernsehen bekannte Diva soll hier eigentlich begraben werden – aber von letzter Ruhe kann keine Rede sein. (…) So beginnt ein schwarzhumoriger Schlagabtausch, der die Zuverlässigkeit der Erinnerung in Frage stellt, vor allem aber an der Gewißheit der Identitäten kratzt. Während Tochter Carolin das traurige Bild einer abwesenden Mutter malt, umkränzt Sonja, angeblich die „engste Vertraute“ Margots, deren Starleben mit allerlei Anekdoten und verbalem Glitzer. Und schon ist er in vollem Gange, der Konkurrenzkampf um die innigste Beziehung zu der Verstorbenen.

Christian Lugerth, zuverlässige Regiegröße bei den Komödianten, bringt den Zickenkrieg (…) mit Tempo über die Bühne, läßt die Stimmung zum hörbaren Vergnügen des Publikums (…) von frostig über schwesterlich bis aufgeheizt wechseln. Und er hat Spaß daran mit den Schauspielerinnen Rafaela Schwarzer und Anke Pfletschinger die Situationskomik auszuspielen. Da wird nicht viel gelauert oder umkreist – die Frauen stehen sich am liebsten frontal wie Kampfhähne gegenüber, knallen sich Bosheiten ohne Umwege, dafür mit vorwurfsvoll bis bedrohlich bohrendem Zeigefinger, um die Ohren. Loriots kleinkarierter Badewannenkrieg zwischen Dr. Klöbner und Hernn Müller – Lüdenscheid fällt einem dazu ein. 

Die Inszenierung läßt den Schauspielerinnen Raum. (…) So wogt der Streit um die Deutungsmacht mit großem Wiedererkennungswert. (…) Daß sich das Stück irgendwann im Kreis dreht, weil die Grundkonstellation die Krisenanlagen und Identitätsfragen eher anreißt als tief taucht, läßt sich verschmerzen. Spaß macht das kurzweilige Geplänkel zwischen Rechthaberei und Nachgeben trotzdem. Und wenn Sonja am Ende dubios mit der Urne herumhantiert, könnte alles wieder von vorne losgehen: „O Gott…!“

(Ruth Bender / Kieler Nachrichten)

 

 

Einbildung und Erfindung machen mehr als drei Viertel unseres wirklichen Lebens aus. (Simone Weil)

Was bleibt von einem Menschen nach seinem Tod? Ein Erbe im glücklichen Fall, um das seine Nachfahren sich streiten, persönliche Gegenstände, die doch irgendwann im Müll landen, vor allem aber Erinnerungen - so vielfältig und verschieden wie ihre Urheber. Denn was ein Mensch ist oder war, bestimmen nach seinem Tod am allermeisten die Übriggebliebenen. Die Deutungshoheit über das Leben, sollte es je in den eigenen gelegen haben, ist längst in andere Hände übergegangen, die sich weniger an den Tatsächlichkeiten, als an den eigenen Interessen an einem ganz besonderen Verhältnis zum Toten spiegeln. Je berühmter der Verstorbene war, um so lohnenswerter scheint es, die eigene Beziehung zu ihm als eine ganz einmalige aufleben zu lassen. Denn die Asche, heißt es, kann sich nicht wehren.

Solch eine Thematik in den räumlichen Rahmen einer Bühne und den zeitlichen eines Theaterabends zu bringen, stellt eine Herausforderung dar, die neugierig macht. Wer hat die Deutungshoheit über unser Leben? Können Erinnerungen lügen und gibt es falsche Wahrheiten? Diese Fragen wirft Heike Falkenbergs und Marion Elskis' schwarze Komödie ‚Whiskey and Sugar’ auf, die am 26. September 2019 die neue Spielzeit im Theater der Komödianten in Kiel einläutete.

Nie habe sie eine Rolle so sehr mit nach Hause genommen wie hier, sagte Anke Pfletschinger, eine der Akteurinnen im 2-Personen-Stück, dem Schattenblick, und auch für ihre Partnerin auf der Bühne, Rafaela Schwarzer, ist es keine klassische Komödie, sondern ein Stück, "wo das wahre Leben mitspielt".

Zwei Frauen, die sich noch nie begegnet sind, treffen sich am offenen Grab der berühmten Schauspielerin Margot Fürstenberg. (…) Die eine ist ihre Tochter Carolin, die zu ihrer Mutter schon lange keinen Kontakt mehr hatte, die andere, Sonja, behauptet, ihre engste Vertraute zu sein. Da sich die Beerdigung verspätet, kommen die Frauen ins Gespräch.

Konflikte sind vorprogrammiert bei so grundverschiedenen Charakteren im Kampf um die Zuwendung und Wertschätzung der Verstorbenen. Dabei geht es von Anfang an weniger um die Tote als um die jeweils eigenen Belange und Beschwernisse, die Schwierigkeiten mit der Anfahrt zur Beerdigung etwa und daß die Urne nicht die ist, die die Tochter bestellt hat. Der Streit entzündet sich an Fragen, wie man ein Grab schmückt und ob es pietätlos ist, bereits angebrannte Kerzen aus der Arbeit im Altenheim aus Nachhaltigkeitsgründen noch einmal zu verwenden. Ob es legitim war, Margots Plüschtiere auf dem Sperrmüll zu entsorgen. Ob Carolin sich nicht um ihre Mutter gekümmert hat, wie Sonja die Tote zitiert - "liebevoll ist meine Tochter nur mit anderen" - oder ob die Mutter die Tochter zugunsten der eigenen Karriere vernachlässigte. Hat Margot einen Selbstmordversuch gemacht oder nicht? Ist sie mit Sonja baden gegangen oder hat sie eher das Wasser gescheut?

Zwischen gegenseitiger Ablehnung und Zwist, der bis zur Androhung körperlicher Gewalt mit Spaten und Harke reicht, gibt es aber in der geteilten Unfähigkeit, das Begräbnis zu gestalten, bei Whisky und Zucker auch immer wieder Momente der Annäherung und Ergänzung der jeweiligen Erinnerungen.

Regisseur Christian Lugerth, der aus eigenem Erleben weiß, wie unterschiedlich Geschwister den eigenen Vater (die eigene Mutter) in Erinnerung haben und welche Konflikte daraus entstehen, gefiel diese Mischung aus Komik und "wahnsinniger Traurigkeit", wie er dem Schattenblick nach der Premiere verriet. "(…) Bis man mal an den Punkt kommt, wo man sagen kann: So, jetzt akzeptiere doch Du mein Bild, dann akzeptiere ich dein Bild und umgekehrt. Ich glaube, das ist normal, es ist absolut normal."

Den Schauspielerinnen Anke Pfletschinger und Rafaela Schwarzer bot das Stück jede Möglichkeit, im Wust widerstreitender Gefühle die ganze Bandbreite ihres schauspielerischen Könnens auszufahren, Wut und Witz, Trauer und Hilflosigkeit, Nachdenklichkeit und Sarkasmus, bei einer deutlich stärkeren zweiten Hälfte nach der Pause, die Rollen und Spielerinnen zunehmend ineinander aufgehen ließ.

Das Stück von Heike Falkenberg und Marion Elskis (…)  ist (…) eine Aneinanderreihung von zum Teil witzigen und skurillen Ideen, aber auch abschweifigen Dialogen, die wenig zur Stringenz des Stückes beitragen. Minutenlang spielen die Protagonistinnen, Sonja in Kleid und Perücke der berühmten Mimin, eine Szene aus Schnitt mit Herz nach, der Serie, die Margot in der Rolle der Conny berühmt gemacht hat, und auch der Disput um das hinterlassene Geld, das in den Plüschtieren versteckt war und jetzt auf dem Müll liegt, gerät langatmig. Insgesamt bleibt die Figur der verstorbenen Margot blaß, das Stück bei großartiger spielerischer Leistung hinter den geweckten Erwartungen und den Möglichkeiten des Stoffes zurück.

Am versöhnlichen Ende steht ein Lied von Hildegard Knef - auch dies eine Hinzufügung von Christian Lugerth - "So oder so ist das Leben, so oder so ist es gut". Die Quintessenz, so der Regisseur: "Du hast nicht recht, ich hab auch nicht recht, also hast du recht, so habe ich auch recht." Whisky und Zucker lassen sich eben durchaus zusammen konsumieren.“

(Schattenblick am 8. Oktober 2019)

 

 

 

Und im NDR - Hörfunk

Kollektiv Be Bob

„Kollektiv BeBob“: Christian Lugerth neues Bandprojekt überzeugt bei der Premiere im Ulenspiegel mit sensiblen, mutigen, experimentellen Interpretationen.

Eine neue Band im Ulenspiegel: Hinter dem „Kollektiv BeBob“ verbirgt sich Christian Lugerths neues Dylan-Projekt, der Nachfolger des „Lahn-Dylan-Kreises“. Der rockig-jazzige-funkige Ansatz machte den Zuhörern im gut besuchten Keller richtig Spaß.

Zumal der Regisseur, Schauspieler und Dylan-Experte sich unter dem Vorschlag, Bob zu sein (Be Bob), einige erfahrene Musiker an seine Seite geholt hat. Er selbst sang, spielte Gitarre und sprach – manchmal alles zusammen - hinzu kamen JJ Fischer (Gesang, Gitarre), Andreas Jamin (Posaune), Joe Bonica (Schlagzeug) und der bereits im „Lahn-Dylan-Kreis“ involvierte Christian Keul (Bass). Das Konzept: Dylans Musik „etwas anders zu beleuchten. Jazziger, schräger, mutiger sich von den Originalvorlagen entfernend.“ (Fischer)

Bei der Premiere ging’s fast kammermusikalisch zu, Posaune und Schlagzeug blieben unverstärkt, was gelegentlichen Druckanstieg aufs Maximum nicht ausschloß und einen schönen, klaren Sound ergab. Von schlichtem Interpretieren der Originale konnte also keine Rede sein, wie schon zu Beginn klar wurde, als die Band sanft und frei in der Warteschleife improvisierte, während Lugerth langsam den Text von „Blowing in the Wind“ sprach. Dann ging’s ins Intro und der Text wurde inhaltlich klarer – er war auch nicht so genuschelt.

Fließender Übergang in „On the Road again“ mit einem schwungvollen Gitarrensolo von Fischer, Jamin zog sehr originell mit, alles hatte einen schönen Swing. Da hörte man das erste Mal, wie gut Posaune und elektrische Gitarre miteinander harmonieren können.

Jamin bewies den ganzen Abend, wie samtweich er sich einfühlen kann und fügte ein ums andere Mal wertvolle Beiträge zum Ganzen hinzu, ungemein musikalisch und ästhetisch hochwertig, nicht zuletzt in der Synthese mit Fischer. Der spielte etwas freier, jazziger, und das Rhythmusgefüge wurde zuweilen nachhaltig erschüttert.

Lugerth gab jeweils eine kurze Einführung auf Englisch und Deutsch und trug die Texte ansonsten deutlich, aber unverkrampft anders vor, sprach etwa schon mal einen Titel ganz durch. Er konnte aber auch ganz und gar natürlich Dylan singen – auch nicht schlecht. Bonica ließ ganz nach Bedarf die Sache im Reggae schwingen, marschierte energisch im freien Rhythmus mit und ziselierte dann immer wieder großartige Feinheiten; alles mit höchster Werkdienlichkeit. Keul spielte einen kantablen Bass.

Ingesamt waren sensibel umformatierte Titel zu entdecken, die die musikalische Substanz locker erhielten. Man kann Dylan eben auch anders interpretieren, und das war ein erfrischendes Erlebnis.“

(Heiner Schultz / Gießener Anzeiger)

 

"Es war ein Konzert der Jazzinitiative, aber mit Jazz hatte das Dylan-Programm nur insofern zu tun, als sich Jazzer größere Freiheiten bei der Bearbeitung musikalischer Vorlagen erlauben als Popmusiker. Der Nobelpreisträger aus Minnesota selbst ist mit seiner Tendenz, die eigenen Songs bis zur Unkenntlichkeit zu verändern, vielleicht auch ein Vorbild für das Kollektiv Be Bob gewesen, das im Ulenspiegel seine gefeierte Live-Premiere hatte.

Zentrale Figur ist der als Schauspieler und Regisseur mit dem Stadttheater verbundene Christian Lugerth, der auf der kleinen Ulen-Bühne vor allem als Sänger, aber auch als Rhythmusgitarrist und Blues-Harp-Spieler agiert. Seine Erfahrungen hat er nicht zuletzt mit dem – musikalisch weniger wagemutig agierenden – Lahn-Dylan-Kreis gesammelt. Zu diesem gehört auch Christian Keul, der im Kollektiv Kontrabass spielt und erkennbar Freude an den Ostinati hat, die er als Grundlage für viele Be-Bob-Versionen liefern darf. Die Leadgitarre, eine retromäßige Halbakustische mit riesigem Wimmerhebel für dezent dreckig eingefärbte Riffs und Licks, spielt der von Colors of Blue und Black Coffee bekannte JJ Fischer. Ebenfalls mit allen musikalischen Wassern gewaschen: Captain Overdrive-Posaunist Andreas Jamin und Drummer Joe Bonica.

Über die Idee, den eigenwilligen, aber immer zugänglichen Neubearbeitungen kurze Rezitationen und Songtextausschnitte mit Übersetzung voranzustellen, kann man geteilter Meinung sein, aber die Qualität und Originalität der musikalischen Neuinterpretationen begeistert. Immerhin erspart das Konzept den Fans die x-te Version des kinderliedhaften Protestsongs »Blowin in the Wind«, das nur gestenreich rezitiert wird.

Richtig los geht es mit »On the Road Again«. Der im Original konventionelle Zwölftakter kommt durch Jamins Posaune mit leichter New-Orleans-Jazz-Note daher, und »Tangled Up in Blue« tönt mit seiner leicht angezerrten Gitarre recht funky, im Solo sogar schwer rockend. Ein feines Bass-Solo rundet die Sache ab. In »Everything Is Broken« begeistert eine coole Slidegitarre, während »Maggie’s Farm« – sehr gebremst mit verhallter Gitarre, Schlägeleinsatz an den Drums und Bluesharp – an die Sümpfe im Mississippi River Delta denken lässt. Die Geschichte von »Hollis Brown« kombiniert das Kollektiv mit »Masters of War« und »Political World«.

Am weitesten geht die Band mit »Like a Rolling Stone«, dessen Text sie auf Miles Davis’ Modaljazz-Klassiker »Freddie Freeloader« legt. Und in der Zugabe pendelt Dylan dann noch zwischen NYC und Havanna: »All Along the Watchtower« ist klar an die Hendrix-Version angelehnt, kleidet sich aber in ein kubanisches Gewand. Ganz zum Schluss gibt es dann sogar noch einen eher unbekannten Dylan-Song, den Elvis durch eine Coverversion geadelt hat. Bleibt zu hoffen, dass weitere Auftritte folgen werden."

(Axel Cordes / Gießener Allgemeine)

 

„Ihr seid echt eine Waffe, voll geladen!“

(ein ehemaliger musikalischer Mitstreiter in der Pause des Gigs)

NUR DREI WORTE

„Gerade haben sie den Freundinnen noch erzählt, wie sie sich vor 25 Jahren kennengelernt haben. Tess hatte Curtis damals sein zerlesenes Exemplar von F. Scott Fitzgeralds Roman "Zärtlich ist die Nacht" hinterhergetragen und ihn angeschmachtet. Bonnie und Annie nicken, lachen und trinken – das befreundete Frauenpaar kennt die Geschichte zur Genüge. Da tritt Tess einige Schritte zurück, steigt auf eines der schwarzen Podeste, die die Wohnlandschaft auf der Bühne des Wallgraben - Theaters bilden, und sagt: "Wir trennen uns". Der Titel der Gesellschaftskomödie von Joanna Murray-Smith, (...) heißt "Nur drei Worte" – denn das, was "Wir trennen uns" bei allen vier Protagonisten anrichtet, ist Dreh- und Angelpunkt dieses so unterhaltsamen wie tiefschürfenden Abends.

Man möchte Wetten darauf abschließen: Jede und jeder im Saal kennt die Spielsituation, in die Regisseur Christian Lugerth seine mit viel Tempo und Präsenz agierenden Darsteller Regine Effinger, Elisabeth Kreßler, Kyra Lippler und Andreas von Studnitz versetzt. Entweder, weil auch bei ihnen schon eine Partnerschaft in die Brüche ging – oder weil sie als Verwandte oder Freunde von der Trennung anderer unmittelbar betroffen waren. Das Expertentum aller Anwesenden macht einen Teil der Faszination dieses 2017 in Australien uraufgeführten Stücks aus. (...) Denn ehrlich, jede Frau, jeder Mann, völlig egal ob hetero- oder homosexuell, hat sich früher oder später schon gefragt: "Was will ich vom Leben – und mit wem will ich es?"

Tess (Regine Effinger) weiß es nicht. Aber was sie weiß: "Die Geburt eines Paares geht Hand in Hand mit der Ermordung des Individuums." Heißt: In der Ehe mit Curtis hat die Verlegerin sich nicht mehr als Ich wahrgenommen, nur noch als Wir. Und auch, wenn die Sehnsucht nach einem anderen Leben diffus ist – Tess ist wild entschlossen, es zu führen. Daß schon die Verkündigung ihres Plans ein Trümmerfeld hinterläßt, ist ihr ziemlich egal. Curtis (Andreas von Studnitz) erscheint zunächst gefaßt, dann abgrundtief verzweifelt und springt kurz darauf so geschmeidig in ein neues Leben, daß er damit die Frauen um sich herum extrem vor die Köpfe stößt. Das lesbische Paar Bonnie (Kyra Lippler) und Annie (Elisabeth Kreßler) gerät in das Dilemma, sich auf eine Seite schlagen zu müssen, gleichzeitig für beide da sein zu wollen und überdies nicht umhin zu kommen, ihre eigene Partnerschaft zu hinterfragen.

Keine Frage, hier kommen alle Figuren ins Schlingern – ihnen dabei zuzusehen, ist höchst amüsant. Gleichzeitig überfällt den einen oder die andere vielleicht auch eine leichte Melancholie und Traurigkeit – so ist das Leben eben.

Emotionen zu zeigen und diese vor allem zu erklären: Das ist die Kunst, bei der jeder schon mehr oder weniger versagt hat.(...) Wirklich jeder? Nein, in "Nur drei Worte" sind es eher die Frauen, deren Verhaltensweise kritisiert wird. Curtis ist pragmatisch und findet sich mit Realitäten ab – von Studnitz geht in dieser Rolle sehr authentisch auf. Daß genau diese "Realitäten" sich permanent ändern, ist der wankelmütigen Tess zu verdanken, die Regine Effinger mit viel Temperament und Beharrungsvermögen spielt. Aber auch Elisabeth Kreßler und Wallgraben-Neuling Kyra Lippler finden sich glaubwürdig in ihre Rollen ein. Ein intelligentes Gesellschaftsstück! (...)"

(H. Ossenberg / Badische Zeitung)

 

„ (…) Patti Smith's Ode an alle Liebenden scheppert aus dem Plattenspieler, zwei Pärchen plaudern, trinken und haben es fröhlich vertraut. Auf der mit vielen schwarzen Podesten und Kunstbänden eingerichteten Bühne wird harmlose Heiterkeit zelebriert. Der Anlaß ist eine kleine Glückwunschparty für ein Traumpaar, das seit Jahrzehnten Höhen und Tiefen miteinander teilt. Doch das ist nun vorbei: Tess (Regine Effinger) fühlt sich „an der Frontlinie der Sterblichkeit“ und hat genug vom „Wir“, von ihrer Rolle als Mutter und Ehefrau. Sie will mehr und ist wild entschlossen sich neu zu erfinden, auch wenn das Ziel noch nebulös ist. Schließlich geht die Geburt eines Paares immer Hand in Hand mit der Ermordung des Individuums. Oder wie es Andreas von Studnitz als ihr Noch – Mann formuliert: „Existentielle Bedürfnisse versus konventionelle Sicherheit.“ (…) Immer mittendrin und zwischen allen Fronten: Das lesbische Freundespaar Bonnie (Kyra Lippler) und Annie (Elisabeth Kreßler). Die werden nun selbst von einer Beziehungskrise gebeutelt, weil Annie ihrerseits Rollenverteilungen und Selbstverständlichkeiten in Fragestellt. Das Trennungsvirus scheint jedenfalls hochansteckend. (...) Ein Stück also über eine dramatische Midlife – Crisis gespickt mit bildungsbürgerlichen Klischees? Nein. Es gibt nämlich nicht nur temporeiches und facettenreiches Schauspiel zu erleben, sondern auch pointierte, kluge und immer wieder sehr lustige Dialoge, die im Grunde Existentielles verhandeln: Freiheit oder Angst? Welche Entscheidungen und Kompromisse halten langjährige Beziehungen zusammen, welche Sehnsüchte bleiben dabei auf der Strecke? Wer kommt hier zu kurz? Spannend, welche Diskussionen sich danach eventuell bei den Paaren im Publikum mit welcher Dynamik entwickeln.“

(Marion Klötzer / Kultur Joker Freiburg)

 

„ (…) Joanna Murray Smith, eine der bedeutendsten australischen Dramatikerinnen, befaßt sich in ihrem Trennungsdrama mit der Situation einer Ehefrau, die als Mutter, Ehe – und Geschäftsfrau perfekt funktioniert hat, ihren Mann immer noch liebt und trotzdem – eine diffuse Sehnsucht spürend – vor der Frage steht: „War`s das?“. Die zentralen Aspekte in dieser sehr gelungenen Inszenierung (Regie: Christian Lugerth) thematisieren, was mit dem Individuum in einer langen Partnerschaft geschieht und der Schwierigkeit zu wissen, was man will und was man fühlt. Kann sich das Individuum in der Partnerschaft behaupten oder wird es nivelliert? Kann es sich weiterentwickeln? Was versagen wir uns selbst? Und weiter, wie schwierig ist es, Gefühle und Sehnsüchte in Sprache zu übersetzen und auszudrücken, Mißverständnisse zu vermeiden, ein Verstehen herbeizuführen? Die Dramatikerin Smith macht die Sprache selbst zum Thema, die Emotionen nur defizitär zum Ausdruck bringen kann. Deutlich wird dies auch bei dem befreundeten lesbischen Paar, das in den Strudel der Zerstörung hineingerissen wird und deren bis dato selbstverständliche Zusammengehörigkeit ebenfalls ins Wanken gerät. Es ist ein bissiges, interessantes Stück (…) kurzweilig, intensiv und emotional auf die Bühne gebracht, hinterläßt es einen langen Nachklang.

(Andreas Lips / Fipps Freiburg)