KRITIKEN

SHAKESPEARES SÃMTLICHE WERKE (LEICHT GEKÜRZT)

"(...) Bei der Premiere am Donnerstag wird schnell klar, daß Lugerth hier alles richtig gemacht hat: Ives Pancera, Otto Beckmann und Georg Melich (zum ersten Mal im Wallgraben Ensemble dabei), bilden nahezu die Idealbesetzung. Sie sind nicht nur text- und pointensicher, sie beherrschen darüber hinaus richtiges Tempo und Timing, agieren gelenkig bis akrobatisch und sind zudem ein perfekt eingespieltes Trio. (...) Die Zeit schreitet voran – und noch immer fehlt "Hamlet". Jon und Peter müssen damit fertig werden, dass Chris die Nase voll hat von Sein oder Nichtsein – und die Rezensentin muss damit leben, dass der Schauspieler sich kurzzeitig tropfnass auf ihren Schoß hockt. Dann gibt es doch noch das große Finale: Hamlet nicht nur einmal, nicht nur zweimal, nein, dreimal und zum Schluss gar rückwärts ... Der freche, sehr unterhaltsame, manchmal derbe Theaterabend geht zu Ende und man nimmt sich vor, doch mal wieder ein Shakespeare-Stück zu lesen – in ganzer Länge!"
(Badische Zeitung)

"Doch es ist keinesfalls nur Klamauk, was die Zuschauer da erwartet. Die Schauspieltruppe nimmt ihr ambiotioniertes Unternehmen durchaus ernst, auch wenn bereits im Prolog erste Zweifel aufkommen, ob sie ihrer Herkulesaufgabe auch tatsächlich gewachsen sind (...) Scheitern ist Teil der Inszenierung, die immer wieder von den Schauspielern selbst kommentiert wird. (...) Kurzerhand wird im venizianischen Setting die Geschichte Othellos, dem Mohr von Venedig, gerappt (Musik: Sascha Bendiks.) Auch andere Szenen werden geschickt mit Sounds und Songs untermalt auf zum Teil abenteuerlichen Instrumenten ("Hamletmaschine"). (...) Ein Heidenspaß."
(freiburg aktuell)

LENZ. FRAGMENTE

"Eingekreist von Grimm- und Büchner-Jahrestagen  - die Brüder allesamt nacheinander, Büchner erst mit seinem Todes-, jetzt mit seinem Geburtstag – bleibt den Theatern im Allgemeinen und den hessischen Theatern im Speziellen gar nicht anderes übrig, als noch mehr und noch mehr Ideen dazu zu produzieren. Am Stadttheater Gießen, durchaus im Zentrum des Geschehens, gibt es Ende Juni ein internationales Büchner-Festival, bei dem das Publikum etwa einen südafrikanischen mit einem belgischen, ukrainischen, japanischen „Woyzeck“ vergleichen kann.
Jetzt aber gab es vorneweg auf der Studiobühne TiL die Uraufführung von Katharina Gerickes kleinem Stück „Lenz. Fragmente“. So dass man natürlich an Büchners „Lenz“ denken muss, aber dann doch auf etwas Eigenes, Aufmerksames und Skurriles trifft, also im Büchnerschen Sinne, aber eine Art “Was davor geschah“: Szenen („Fragmente“) zu Jung-Lenz und Jung-Goethe als stürmende und drängende Studenten in Strasburg. Nachher Lenz auf Besuch in Weimar, wo Goethe schon ganz eingestaubt ist. Gericke und Regisseur Christian Lugerth schütten den Spott kübelweise aus. Selbst die Weimarer Teetassen stauben stark, Schlafsucht überfällt jedermann, und poliert wird nur das goldene „Von“-Schildchen um Goethes Hals. Wie gemein. Aber lustig, auch lustig gemacht, flott, entspannt und einmal im Leben nicht aus Goethes Sicht, sondern aus der Sicht eines staunenden Verlierers. Der Hofbeamte expediert den peinlichen Jugendfreund rasch wieder aus der Stadt.
Auf einer groben Bretterbühne und in historischer Verkleidung (Ausstattung: Bernhard Niechotz) lässt Lugerth auf Gerickes, Lenzens und Goethes Texte die Darsteller ein bisschen wie die Puppen tanzen und toben. Das Possierliche macht sich trefflich neben der Avantgarde, die die Jungdichter schließlich einmal waren und in einer Session eindrucksvoll vorführen. Lukas Goldbach ist als Lenz ein Spielball seiner Gefühle und Einfälle, während Milan PeÅ¡l als Goethe ein schmaler kalter Fisch und Bürgerbub bleibt. Für Lenz geht es um alles, für Goethe um eine Phase, zeigt das Stück, und damit zeigt es auch Lenz‘ Tragödie, ohne einen Theaterabend mit Schulunterricht zu verwechseln.
Die Frauen, aus Lenz‘ Leben und Werk, teilen Mirjam Sommer und Petra Soltau geschmeidig unter sich auf. Außerdem fand sich ein geeigneter, nämlich verblüffender Darsteller für Lenz als Kind, Claudio Mitrovic."
(Judith von Sternburg, 16. April 2013, Frankfurter Rundschau)

"(...) Es ist also schwierige Kost, die die Berliner Dramatikerin dem Publikum serviert. Lenz als Junge, der unter seinem pietistischen Vater leidet; Lenz als junger Dichter, der mit Goethe in Straßburg rotzig-freundschaftlich verkehrt und dessen »Ex« Friederike den Hof macht; Lenz als am Weimarer Hof am adeligen Getue Scheiternder; Lenz als geisteskranker Mann, der von Beginn an das Virus vom Verfall in sich trägt. Gericke lässt all diese Facetten des »Punks« des Sturm und Drang aufblitzen – in kurzen Sequenzen. Ihr Text ist blitzgescheit und ein erfrischendes Spiel mit Sprache. Ob Gereimtes im Stil von Wieland oder regelloses Theaterspiel der »wilden Gesellen« Goethe und Lenz auf der improvisierten Kleinbühne – hier gilt jedes Wort, die Stimmung einer Situation ist prompt da. Man ist als Zuschauer sofort in der nächsten Szene drin. Der gesamte Kosmos erschließt sich aber nur dem, der sich ohne Furcht vor Klamauk und Groteske auf das Spektakel einlässt. Und dann kann man auch verstehen, warum der Pfarrerssohn zu Lebzeiten Goethe und posthum Georg Büchner oder Franz Kafka inspiriert hat – und auch heutzutage aus seinem Status als Randerscheinung einer Epoche herausgezogen werden sollte. (...)
Christian Lugerth inszeniert Gerickes Schauspiel mit Lust am Verrückten. Fast eineinhalb Stunden wird das Publikum höchst amüsant und experimentierfreudig unterhalten. Wenn sich das quer liegende Bücherregal auf dem von Bernhard Niechotz entworfenen Podest öffnet und die Köpfe der Protagonisten wie aus einer Latrine auftauchen, dann gibt es einen gehörigen Überraschungseffekt. Auch die Drum-Einlagen bei der Theaterposse der wilden Gesellen – der Spirit von Kassadondo weht durch das Theaterstudio – reißen mit. Ein Goethe, der sich trotz historischem Gewand stolz wie ein Rapper den goldenen Adelstitel um den Hals hängt, und Lenz, der das Narrenglöckchen am Handgelenk trägt. (...) Dramatikerin Katharina Gericke kann sich gewiss sein, mit ihrem Stück einen Beitrag dazu geleistet zu haben, dass Jakob Michael Reinhold Lenz wieder mehr in das Interesse rückt. Die von ihr gewählte Form des Fragments ist genau die Richtige, um zu zeigen, wie viele Facetten dieses Dichterleben zu bieten hatte und wie schwer es Lenz gefallen ist, die Balance zwischen Genie und Wahnsinn zu halten."
(Gießener Allgemeine)

"(...) „Er ging gleichgültig weiter, es lag ihm nichts am Weg, bald auf-, bald abwärts. Müdigkeit spürte er keine, nur war es ihm manchmal unangenehm, nicht auf dem Kopf gehen zu können“: Berühmtes Zitat aus Georg Büchners Novelle „Lenz“. Dieser Textauszug durfte auch in Katharina Gerickes Schauspiel „Lenz. Fragmente“ nicht fehlen. Das Stück, das bisher als „unaufführbar“ galt, feierte jetzt Premiere im TiL, zugleich war es die Uraufführung. Und das mit großem Erfolg, wie der donnernde Applaus für Regisseur Christian Lugerth, Bühnenbildner Bernhard Niechotz und das kleine brillante Schauspielerteam bewies. (...) Eine Hommage an die verrückte Zeit des Sturm und Drang, an die Freundschaft zweier ungestümer Dichter an der Grenze zum Erwachsensein. Gemeint sind die beiden Straßburger Studenten Jakob Michael Reinhold Lenz (1751 bis 1792) und der um zwei Jahre ältere Johann Wolfgang Goethe, der Name damals noch ohne „von“, wie im Stück ausdrücklich betont wurde. Mit Lukas Goldbach (Lenz) und Milan Pesl (Goethe) waren zwei Darsteller gefunden, die in Sprache und Ausdruck wie geschaffen waren für die Rollen. Die beiden jungen Männer schaukeln sich hoch mit ihren Späßen, Reimen, poetischen Fantastereien. Und das wird mit vielen Effekten und Geräuschen auf die Bühne gebracht. Lugerths Inszenierung gelingt es immer wieder, überraschende Momente ins Spiel zu bringen. Das kleine Holzpodest, Blickfang mitten im TiL-Bühnenbereich, bietet den Akteuren Gelegenheit, sich in den verschiedensten Rollen zu präsentieren: als Puppenspieler, als Tiere, als laute Wahrheitsverkünder. (...) Die Berliner Autorin Katharina Gericke, die bei der Gießener Uraufführung zugegen war, hat diese spaßige Situation in Verse gefasst, wie andere Begebenheiten auch. Sie interessiert der „Bajazzo“ Lenz, der redegewandte und lustige junge Mann, der sich aber mit seinen Clownereien auch jede Chance auf eine ernsthafte Beziehung zu Frauen selbst verspielt. In ihrem Stück zeichnet sie auch den hellsichtigen Dichter, dem der Wahnsinn schon von Kindheit an auf den Fersen ist. Nach der Zurückweisung durch Goethe in Weimar wird sich sein Zustand noch einmal dramatisch verschlechtern. (...) Das Ende ist bekannt: Lenz endet als ein Gescheiterter, Blut im Gesicht kündet auf der Gießener Bühne von seinem traurigen Ende. Der „Dichterfürst“ hingegen erscheint schon zu Lebzeiten als sein eigenes Denkmal, sein Gesicht zeigt weiße Spuren eines Gipsabdrucks. Und so endet die fiktive Geschichte trotz aller Dramatik mit einer kleinen Spur von Ironie – und stellt zugleich einen sehenswerten Beitrag zum Büchner-Jahr in Gießen dar."
(Gießener Anzeiger)

Urlaub aus Burstadt



"Lieber Christian,
waren schöne Tage mit dir.
Du hast ganz erheblich dazu beigetragen, daß unsere Kulturoffensive gelungen ist.
Die Jungs mögen dich. (...)
Bis demnächst.
Götz"

(Götz Eisenberg, Gefängnispsychologe per E - mail)

LAMETTA

"(...) Vom Autor Fitzgerald Kusz wurde das Stück ursprünglich auf fränkisch geschrieben – Regisseur Christian Lugerth, gebürtiger Konstanzer, geht in seiner Inszenierung einen Schritt weiter und lässt badisch auf schwäbisch, thüringisch und schweizerdeutsch treffen – eine Patchworkfamilie also auch im lokalen Sinne. Die Familie, der wir da beim Schmoren in der Weihnachtshölle zugucken, ist zweifellos eine Konstanzer Familie – Christian Lugerth färbte das Stück mit humoristischem Lokalkolorit.
Auf der Bühne wird die Wohnung zerstört (Ausstattung: Katharina Schirmer), geprügelt, geblutet, geheult und fremd-geküsst. Mitfeiern möchte man da nicht. Mitlachen schon – die herrlich-absurde Situationskomik begeistert auch das Konstanzer Publikum.
Wenn sich die Figuren zu sehr in ihren Streitereien verlieren, bringt Stephan Gansewig in seiner grandiosen Doppelrolle als Gitarre spielender Weihnachtsengel das Fest wieder auf Kurs: „Wann gibt es eigentlich Bescherung?“. Sein Gitarrenspiel, im anrührend-ironischen Zusammenspiel mit den Ensemblemitgliedern, lässt die Weihnachtsstimmung gleichsam entstehen und entschwinden. Das Jesuskind hingegen muss derweil die gesamte Vorstellung in der Schuhschachtel fristen – denn zum Krippenaufbau kommt Hausherr Werner, charmant verkörpert von Bernhard Leute, bei all den tragisch-komischen Querelen gar nicht mehr. (...)"  (Südkurier)

"(...) Die Komödie mit Tiefgang zeigt einmal mehr, warum das „Konstanzer Stadttheater zu den besten Bühnen abseits der Metropolen“ zählt, wie ‘Die Deutsche Bühne’ feststellte. Was das Ensemble da auf die viel zu kleine Bühne zaubert, was die Regie da an Einfällen produziert – das ist mehr als Slapstick-Show, mehr als Komödienstadel, das ist richtig gutes, unterhaltendes Theater. Unter erschwerten Bedingungen.
Denn erst am 23.11. kann „Lametta“ erstmals nach der Sanierung im großen Haus des Stadttheaters gezeigt werden; bis dahin müssen die Theaterleute noch Vorlieb nehmen mit Sälen und Bühnen, die keine Theatersäle und -bühnen sind – in der Altstadt, in Allmannsdorf oder eben im Zentrum für Psychiatrie Reichenau, wo die Premiere über die Bühne ging. Der Festsaal dort mit dem, pardon, Charme eines Gemeindezentrums der 50iger Jahre, mit einer Bühne, wie ich sie aus der Aula meines ehrwürdigen, auch schon 150 Jahre alten Gymnasiums kenne, mit nur nachträglich montierten Bühnenscheinwerfern, mit mieser Akustik und mangelhafter Lüftung verlangt dem Regisseur, den Bühnenbildnern und erst recht den Darstellern viel Spontanität und Flexibilität ab. Und manches Mal geht es dann auch nicht ohne Fehltritt ab, wie ein ungewollter, glücklicherweise folgenloser „Abgang“ während der Premierenaufführung zeigte.
Doch Regisseur Christian Lugerth und das Ensemble meistern solche Schwierigkeiten.
Da gerät dann der Weihnachtsbaum zur spaßigen Miniatur, die Festtafel zum Ausziehtisch und der Balkon, auf dem Schwager Lutz (famos in den Tanzszenen: Ralf Beckord) ausgenüchtert wird, verschwindet nur zur Hälfte hinter dem Vorhang. Mit enormer Spielfreude – herausragend Bernhard Leute als Werner, Sparkassenleiter aus Petershausen, und Rose Kneissler, seine Mutter, die fortlaufend ihre letzten Weihnachten feiert – gelingt den Schauspielern trotz aller Widrigkeiten wahre Theateratmosphäre.
Dazu trägt ganz wesentlich Stefan Gansewig bei. Das Konstanzer Musikoriginal tritt zwar nicht – wie angekündigt – als Bob Dylan im Engelskostüm auf, schafft aber mit seinen Gitarrenklängen vermeintlich heimelige Feststimmung. Und der Regietrick mit den Dialekten funktioniert: Mal badisch, mal schwäbisch, dann auch schwyzerdütsch oder sächsisch (besonders charmant: Carolin Maiwald als Natascha mit russischem Akzent und, geradezu virtuos, Monika Kocher bei ihrem schweizerischen Solo mit Akkordeon-Begleitung) sorgen die Darsteller für heimatlichen Flair. Nicht störungsfrei, aber stets liebenswert.
Für die 150 Zuschauer im nicht ganz gefüllten Reichenauer Festsaal ein vergnüglicher Abend – kein tiefschürfendes Theatererlebnis, aber richtig gute Unterhaltung. Und das ist doch schon etwas in Zeiten, in denen „Wetten, dass…“ allüberall als TV-Spaß hoch gejubelt wird. Die Premieren-Besucher jedenfalls dankten es mit zahlreichen Lachern, häufigem Szenen- und lang anhaltendem Schlussapplaus." (seemoz)

Ach was! Loriot!

 "Aus aktuellem Anlass sei noch einmal daran erinnert, wie stolz Loriot – nach eigener Aussage – gewesen war, als er auf dem Münchner Hauptbahnhof um ein Autogramm gebeten wurde, in der Annahme, er sei der einstige Bayern-Trainer Udo Lattek. Das erfuhr man 2000, als Deutschlands großer Humorist die Festansprache zum 100. Geburtstag des Fußballclubs hielt – und tut in unserem Zusammenhang eigentlich nichts zur Sache. Außer dass man sagen kann, dass das Freiburger Wallgraben-Theater im Gegensatz zum FC Bayern zu den Gewinnern des Wochenendes gehört. Mit einer – einmal mehr – dramaturgisch ebenso klugen wie geistreichen neuen Kompilation von Loriots Dramuletten und Gedichten. Lassen wir den Autor Herrn von Bülow am besten doch selbst zu Wort kommen: "Spiel ist etwas Heiteres… es soll Freude machen…" Eben.
Womit wir schon unmittelbar in einem seiner großen Sketche gelandet wären: "Skat". Die Herren Striebel und Vogel bitten einen Fremden, Herrn Moosbach, als Ersatzspieler zur Skatpartie. Nur: Viel vom Reizen scheint der nicht zu verstehen. Selbst wenn man die Dialoge schon in- und auswendig kennt – es ist richtig spannend, wie Ives Pancera, Burkhard Wein und Hans Poeschl sie aktuell in Szene setzen. Weil sie einerseits den Duktus des Originals klar erkennen lassen, sich diesem andererseits aber nicht sklavisch unterwerfen. Was einem Drahtseilakt gleichkommt. Denn wer die legendären Loriot-Abende aus dem Fernsehen kennt, hat deren Szenerie und Spielfluss vor Auge. Aber muss man das wirklich Detail für Detail imitieren?
Regisseur Christian Lugerth antwortet hierauf mit einem klaren Jein. Denn, und das zeigt der knapp zweistündige Abend unter dem Titel "Ach was! Loriot" deutlich: Die Texte wirken schon aus sich heraus. Der Abend gibt da schon früh den Takt vor. Da steht ein älterer Herr vor dem Fernsehapparat und betrachtet kritisch einen Sketch, der ihn um ein paar Jährchen jünger zeigt. Der Herr macht eine abweisende Geste, schaltet die Kiste aus, ein Loriot’sches "Ach was!" auf den Lippen. Der wirsche Tonfall indes ist nicht Loriot – er ist klar Heinz Meier. Als ob der Grandseigneur des Wallgraben-Theaters noch einmal Bilanz zöge über seine Rolle(n) in Loriots Stücken, mit zwei Worten und einer Geste, die viel mehr aussagen als lange Abhandlungen. Dem besagten Sketch, es ist der vom Lottogewinner Erwin Lindemann, gilt auch das virtuose Finale des Abends. Heinz Meier alias Lottemann, äh Lindemann, mit herrlich ostpreußischem Akzent und all den geplanten Versprechern, die, darf man das so sagen?, eine Spur rauer, eine Spur resignativer klingen als früher: Aus Erwin ist ein Estragon geworden, und vielleicht wartet der nicht auf Godot sondern auf Loriot.
Die Stringenz der Interpretation ist symptomatisch für den ganzen Abend.
Da werden geschickt Nummern miteinander vernetzt, etwa wenn der wunderbar – igittigitt – affektierte Maskenbildner aus einem anderen TV-Sketch (souverän zotig: Ives Pancera) eine neue Rolle bekommt. Oder wenn die Kameraassistentin versonnen auf ein schief an der Wand hängendes Bild schielt – nein, nein, es passiert eben kein Unglück. Regine Effinger spielt die unterschiedlichen Loriot-Frauen großartig überkandidelt. Petra Hennig steht ihr als unter anderem ein Jodeldiplom anstrebende Frau Hoppenstedt in nichts nach. Hans Poeschl setzt sich mit liebenswürdiger Penetranz immer wieder vorsichtig ab von den Loriot-Vorbildern, und Burkhard Weins komödiantische Vielseitigkeit vermag selbst in der Rolle eines heulenden Hundes zu überzeugen. Ach, ja: Dass der Lyriker Loriot sich im reimenden Absurdistan der Dadaisten auch recht wohl fühlte, zeigt dieser Abend in seinen 30 Episoden auch. Dreißig – so viele? "Bitte sagen Sie jetzt nichts", hätte Meister von Bülow darauf wohl geantwortet. Ach?"

(Badische Zeitung)