KRITIKEN

MÃNNERHORT

"(...) Im Freiburger Wallgraben Theater ist "Männerhort" nun in einer Inszenierung von Christian Lugerth zu sehen. Im Keller ist man ja auch schon in Freiburgs Privattheater. Das Refugium, das sich Helmut (Peter Haug-Lamersdorf), Eroll (Ives Pancera) und Lars (Olaf Creutzburg) im Heizungskeller einer Shopping-Mall eingerichtet haben, sieht ein bisschen aus wie ein Jugendraum für Große; der Abfalleimer, gefüllt mit Kronkorken, ähnelt haargenau denen vom Schulhof, rechts hängt eine Dartscheibe, es gibt Spinds, ein Sofa mit Couchtisch. Ãœberall liegen Pizzaschachteln herum, an der Wand hängt der Spielplan der Champions League, und natürlich nimmt der Fernseher einen ziemlich zentralen Platz ein. Auf dem Boden hat jemand billige Teppiche ausgerollt. Oben findet die samstägliche Niederlage der Männer beim Shoppen mit ihren Frauen statt, unten siegt die Kameraderie unter Geschlechtsgenossen bei Bier, Pizza und Fußball. (...) Eine Antwort auf die Frage, warum diese Männer glauben, derartige Schutzräume zu brauchen, sollte man von diesem Stück nicht erwarten. Autor Kristof Magnusson und mit ihm Regisseur Christian Lugerth setzen auf einander konträre Charaktere. Da ist Lars, der seine Ängste mit Affären kompensiert, Helmut mit seiner barschen Kämpfernatur und das Sensibelchen Errol. Man trägt die Sneakers, Sonnenbrillen und Jacken, die man selbst für sportlich hält, nur Lars hat sich konsequent für Anzug und Krawatte entschieden, denn, so sein Motto "Ich bin halt ich". Als der Feuerwehrmann des Shoppingscenters im Keller auftaucht und in dem ganzen Zeug nichts anderes als eine "Fluchtwegbehinderung" erkennen will, komplementiert Georg Blumreiter das Trio zum Quartett mit der Note harte Schale, weicher Kern. Fortan simulieren die vier den Shoppingparcours ihrer Frauen im Trockentraining, um ihn erst abzukürzen und dann, um deren Gunst wiederzugewinnen, auszudehnen. Aus der Konfrontation dieser Typen schöpft der Abend seine Komik und hat streckenweise durchaus Witz. Vor allem Ives Pancera und Georg Blumreiter zeigen komödientypisches Timing. Und Lugerth setzt noch auf etwas anderes: Er überzeichnet die Stereotype und unterlegt sie mit Musik (Sascha Bendiks). Wie in einem Melodram beginnen die vier immer wieder zu singen. Das markiert Distanz zur Wirklichkeit und signalisiert: Vorsicht Komödie. Was sie singen, unter anderem "Mama" und "Männer", erinnert dann aber doch eher daran, dass "Männerhort" auch 2003 schon ziemlich 80er Jahre war."
(Badische Zeitung)

"(...) Daß Magnusson mit diesem Stoff einen Bühnenrenner landete, ist schwer nach zu vollziehen. Wird hier doch lediglich wiedergekäut, was schon lange in grob gezimmerten Comedy - Kisten lagert. (...)"
(kultur joker)

"(...) 2003 hat der deutsch - isländische Autor Kristof Magnusson die klischeegetränkte Komödie geschrieben, die schnell zum Erfolgsstück wurde und gerade mit Detlev Buck und Christoph Maria Herbst verfilmt wurde. Es geht um shoppende Frauen und deren leidende Männer, um coole Sprüche und deftige Zoten. (...)"
(fipps freiburg)

ANTON - DAS MÃUSEMUSICAL

"(...) »Anton – Das Mäusemusical« ist im Großen Haus des Stadttheaters das diesjährige Familienstück zur Weihnachtszeit – in einem überdimensionalen und mit Hinguckern gespickten Bühnenbild von Lukas Noll. Christian Lugerth hat das mit vielen schmissigen Melodien garnierte Musical von Gertrud und Thomas Pigor für die jüngsten Theatergänger mit Schwung inszeniert. Und die sind von der ersten Minute mit Feuereifer auf der Seite der Mäuseriche. Als eine Mausefalle mit Käse lockt oder der riesige Schwanz der Katze unter dem Sofa auftaucht, warnen die Jungen und Mädchen im Publikum ihre neuen Freunde, die mit riesigen Haartollen, Trainingsanzug und Latzhose wie putzige kleine Rock’n’Roller wirken (Kostüme: Bernhard Niechotz). Und wenn die dann noch mit ihren respektablen Mäuseschwänzen wedeln, auf einer zum Podest umfunktionierten Bonbondose rappen und singen oder wie Darth Vader imaginäre Lichtschwerter schwingen, dann fiebern die mehr als 500 Kinder pro Vorstellung begeistert mit. Die Lieder, die Keyboarder Martin Spahr mit einem Trommler (im Wechsel Christoph Czech/Moritz Weissinger) als Kakerlakenband live auf der Bühne begleitet, sind so eingängig, dass sie noch Stunden als Ohrwurm festsitzen (...)."
(Gießener Allgemeine)

"(...) Das Familienstück zur Weihnachtszeit ist doch immer einen Besuch wert. Diesmal ist es „Anton, das Mäusemusical“, bei dem die Kinder ordentlich Spaß haben. Alles dreht sich um die drei Mäusebrüder Anton, Franz und Willi, die unter dem Sofa der Familie Hoffmann wohnen, super singen können und nur vor zwei Dingen Angst haben: dem Staubsauger und einer Katze. Die vielen „Zugabe“-Rufe bei der Premiere gestern zeigten, dass die Kleinen bestens unterhalten werden.
In der Inszenierung von Christian Lugerth kommt das lustig-turbulente Stück von Gertrud Pigor, Thomas Pigor und Jan-Willem Fritsch mit ohrwurmverdächtigen Songs auf die Bühne im Stadttheater. Die musikalische Leitung der „Kakerlaken-Band“ liegt in den Händen von Martin Spahr, der von Christoph Czech und Moritz Weissinger am Schlagzeug unterstützt wird.
Einen großen Anteil am Gelingen hat Bühnenbildner Lukas Noll, der eine hübsche kleine Welt unter dem Sofa zaubert mit Steckdose, Sprungfeder und vielen Spinnweben. Die pfiffigen Kostüme hat sich Bernhard Niechotz ausgedacht: Der kleine Anton (Maximilian Schmidt/Pascal Thomas) ist mit seinem knallroten Kostüm nicht zu übersehen, Franz (Sebastian Songin/ Lukas Goldbach) trägt einen Trainingsanzug und Willi (Rainer Hustedt/Roman Kurtz) schließlich ist an seinem dicken Bauch zu erkennen. Lange Mäuseschwänze und coole Elvisfrisuren tragen alle drei.(...)"
(Gießener Anzeiger)

"(...) Ein etwas anderes Stück zur Weihnachtszeit zu zeigen, das hat beim Stadttheater Gießen schon Tradition. Auch dieses Mal ist es wieder eines, das voll Witz und Musik ist. Das mit großem Schwung inszeniert wurde von Christian Lugerth, für das Lukas Noll eine aufwändiges Bühnenbild und Bernhard Niechotz fantasievolle Kostüme schufen; dasselbe Team, das bereits die „Weihnachtsgans Auguste“ inszenierte. Groß und Klein amüsieren sich köstlich, wenn die Schauspieler in ihren tollpatschigen Kostümen singen und tanzen. Die jungen Besucher gehen so richtig mit, sie feuern an, sie warnen die Brüder vor der Katze und fordern am Ende „Zugaben“ wie die Großen. (..)"
(frizz)

ERKLÃRT PEREIRA

"Er ist wieder da, und das Publikum hat ihn wieder lieb. Als sich Harald Schneider, der Gießen 2005 (2004, lieber Kritikant, 2004 war es! Der Säzzer!) verlassen hat und nun für die Titelrolle des Stücks „Erklärt Pereira“ von Antonio Tabucchi (1943 bis 2012) zurückgekehrt ist, am Donnerstagabend nach fast anderthalbstündiger Aufführung verneigte, schwoll der Schlussapplaus hörbar an. Dazu ertönten im vollbesetzten taT-Theater die ersten Bravorufe. Doch nicht nur Schneider, sondern alle anderen an dieser Schauspielproduktion Beteiligten haben den starken Beifall verdient: Gleich zur Eröffnung wird nämlich famoses Theater auf der neuen Studiobühne geboten.
„Erklärt Pereira“ (in der Theaterfassung von Didier Bezace) ist ein von leisen Tönen getragenes Stück über Tod und Leben, über Widerstand gegen Unterdrückung und Zensur. Mit Geschmack und feinem Gespür für Atmosphärisches und Stimmungen macht Regisseur Christian Lugerth daraus einen Theaterabend voller Poesie, Wehmut und Musik. Die leicht wehmütige Stimmung kommt dabei nicht von ungefähr, denn das Stück spielt in Portugal, genauer gesagt: im faschistischen Lissabon des Jahres 1938.
Die Bühne von Lukas Noll zeigt eine lange Bar mit Barkeeper, Flaschen und einem großen Spiegel an der Wand; davor ein Haufen durcheinanderliegender Caféhausstühle. Weiter vorne ein Tischchen mit schlichtem Stuhl, Telefon und Aktentasche – das ist die kümmerliche Redaktion des alternden Kulturredakteurs Dr. Pereira, der mit Politik nichts im Sinn hat und doch darin verwickelt wird. Das Publikum sitzt an drei Seiten drum herum und sieht, wie der von Schneider verkörperte Pereira so ganz nebenbei, aber immer stärker in den gefährlichen Strudel der politischen Verhältnisse gezogen wird. Beinahe unfreiwillig wird er zu einer Art Widerständler. Schneider, mit Weste, Krawatte, Hut und Nickelbrille nach der Mode der 30er Jahre gekleidet, spielt den müden, kränkelnden und zurückgezogen lebenden Journalisten als einen aus der Zeit gefallenen Mann, der für Balzac und die französische Kultur des 19. Jahrhunderts schwärmt, aber nicht wahrhaben will, was vor seiner eigenen Haustüre geschieht. Mit den großen, weit aufgerissenen Augen eines staunenden Kindes geht er durchs Leben, als könne er nicht glauben, was er sieht und was ihm geschieht. Als eindringlicher Darsteller, der über vielerlei Nuancen verfügt, weiß Schneider ganz genau, wie er in der intimen Nähe zum Publikum Sympathie für diese widersprüchliche Figur weckt.
Die intensive Darstellung Schneiders wird von Rainer Hustedt als Erzähler in einen epischen Zusammenhang gebracht, in dem die ständigen Hinweise im Text, „erklärt Pereira“, einen Sinn erhalten. Hustedt stellt in dieser Inszenierung erneut seine große Wandlungsfähigkeit unter Beweis, denn er schlüpft in rascher Folge in die unterschiedlichsten Rollen. Eben noch zankt er als herrische Portiersfrau Celeste mit Pereira, um gleich darauf als lässiger Freund Silva alle seine Bedenken zu zerstreuen und ihn letztlich als tyrannischer Zeitungsherausgeber und Gefolgsmann des Regimes unter Druck zu setzen.
Pascal Thomas stellt den jungen Widerstandskämpfer Monteiro Rossi glaubhaft in seinem Eifer und jugendlichen Ãœberschwang dar, und Anne Berg gibt als dessen Freundin Marta eine schöne Vorstellung. Wenn sie in ihrem hübschen, gepunkteten Sommerkleid mit Pereira zu einem melancholischen Fado tanzt, ist das ein berührender Moment. Portugalfans sollten den Abend nicht versäumen."
(Gießener Anzeiger)

"»Nun, was soll’s« beendet der Lissabonner Kulturjournalist Pereira stets seine Monologe, wenn er wieder dem Bildnis seiner verstorbenen Frau von seinen Alltagserlebnissen erzählt. Die politischen Unruhen in seinem Land unter der Salazar-Diktatur will er nicht wahrhaben und den Europa überrollenden Faschismus ebenso wenig. Er vergräbt sich stattdessen in seinem Redaktionskämmerchen, wo er die Kulturseite der katholisch orientierten Wochenzeitung mit feuilletonistischen Artikeln füllt. Erst als er den jungen Monteiro Rossi und dessen idealistische Freundin Marta kennenlernt, verändert sich Pereiras Blick – und er erkennt die Notwendigkeit eines politischen Bewusstseins und Handelns, auch wenn es sich am Ende nur in ein paar »individualanarchistischen« Zeilen in der Zeitung ausdrückt.
Christian Lugerth, der schon die ehemalige Studiobühne im Löbershof sowohl als Schauspieler als auch als Regisseur mannigfaltig bespielt hat, wurde die Aufgabe übertragen, die neue taT-Studiobühne am Berliner Platz mit »Erklärt Pereira« nach dem 1995 publizierten Welterfolg des Italieners Antonio Tabucchi (Bühnenfassung: Didier Bezace) einzuweihen. Bühne und Kostüme hat Lukas Noll entworfen. Entstanden ist eine sehr dichte Inszenierung, die dem ruhigen Erzählduktus der Romanvorlage mehr als gerecht wird und den fast schon intimen Charakter der neuen Spielstätte würdigt. Die Zuschauer sitzen quasi mit Pereira an seiner Schreibmaschine oder in der Bar, in der er sich mit einer zuckersüßen Zitronenlimonade zu trösten versucht, weil er die Welt, in der er lebt, nicht mehr versteht. Ein verspiegelter Tresen im Hintergrund, ein paar Stühle, eine Anrichte mit dem Bildnis von Pereiras Frau, ein bisschen Fado-Musik und ein Holzkasten, in dem die Pförtnerin sitzt, die Pereira dem Anschein nach von Staats wegen kontrollieren soll, – mehr braucht es nicht, um das Publikum mitten hinein in die dunkle Vergangenheit Portugals im Jahre 1938 zu schicken.
Harald Schneider, der hiermit als Gast an seine ehemalige Wirkungsstätte am Gießener Stadttheater zurückkehrt, spielt den alternden Feuilletonisten Pereira mit großer Eindringlichkeit und zarten Gesten. Er schafft es, dass man den schmächtigen Mann im Anzug und ohne dass wir wenigstens seinen Vornamen kennen, von Anfang an mag – obwohl er feige und verschroben ist und sich mehr für den Tod als für das Leben um ihn herum interessiert. Er wirkt zerbrechlich und voller Reue und Melancholie darüber, dass sein Leben nicht so verlaufen ist, wie er es sich vielleicht als junger Mann gewünscht hatte. Doch als Salazars Schergen den revolutionären Rossi in Pereiras Wohnung erschlagen, da beweist dieser kleine Mann großen Mut in seiner »Zeugenaussage«, wie die Romanvorlage im Untertitel formuliert.
Monteiro Rossi (und auch den Arzt Dr. Cardoso) spielt Pascal Thomas mit dem erforderlichen jugendlichen Elan. Dieser junge Doktorand, dessen von Pereira in Auftrag gegebene Nachrufe auf bekannte Dichter zur Abrechnung mit den faschistischen Gedankenträgern werden, folgt eher seinem Herzen als dem Verstand. Er ist zwar ein bisschen blauäugig, hat aber den nötigen Idealismus, den seine Freundin Marta (charmant und selbstbewusst: Anne Berg) im Gespräch mit Pereira fordert. Rainer Hustedt schließlich obliegt es, den den Roman mit seinen Formulierungen »..., erklärt Pereira« so prägenden Erzähler auf die Bühne zu transformieren. Ein durchaus gelungener Kunstgriff. Auch als Pförtnerin Celeste, als philosophierender Freund Silva und als obrigkeitstreuer Zeitungsherausgeber ist Hustedt im Einsatz. Kleinere Auftritte hat auch Alexander Reich, der als Barkeeper Manuel und Rossis Partisanen-»Cousin« Bruno mitwirkt."
(GIeßener Allgemeine)

AM SCHWARZEN SEE

"Seen sind nicht schwarz. Doch dieser hier, dessen Wellen an die Rückwand des Freiburger Wallgraben-Theaters projiziert werden, ist es. Muss es sein. Denn er birgt eine Tragödie. In Dea Lohers Stück "Am Schwarzen See" ist diese Tragödie das schwarze Loch, um das vier Figuren herumstehen, ratlos, hilflos, wütend, verzweifelt, fatalistisch. Zwei Ehepaare in den besten Jahren, wie es heißt. Johnny und Else, die es bis in die Stadt geschafft haben, Eddie und Cleo, Besitzer einer Brauerei auf dem Land am See. Da stehen sie auf der bis auf einige Stühle und zwei mit Bierkästen gestützte Tische leergeräumten Kellerbühne: Michael Schmitters standesgemäß mit Hemd und Krawatte ausgestatteter Bankfilialenchef und Regine Effingers herzkranke, aber gleichwohl herrische Gattin Else, stehen da für Sekunden wie eingefroren zwischen den Freunden von früher: Sybille Denkers pragmatisch zupackender Cleo, die mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht, und Peter Haug-Lamersdorfers leichtmütigem Eddie, einem fürs Geschäft und die bürgerliche Besitzstandswahrung nicht zu gebrauchendem Sonnyboy.

Es wird in den folgenden 80 Minuten um den Versuch einer Vergangenheitsumkreisung gehen; von Bewältigung kann keine Rede sein, denn so etwas lässt sich nicht bewältigen. Deshalb lässt Dea Loher, Jahrgang 1964, eine der profiliertesten Gegenwartsdramatikerinnen, die Sprache ihrer Figuren immer wieder ins Stocken geraten, fast zerbröseln; sie müssen sich immer wieder zwingen, weiterzureden – weswegen der Text durchschossen ist mit den Szenenanweisungen "Schweigen" und "Pause". Der Regisseur Christian Lugerth füllt dieses Netz von Leerstellen mit dem Klicken eines Diaprojektors aus: Als ob immer wieder ein neues Erinnerungsfoto eingeschoben würde in die lastende Zeitlosigkeit, in der die vier bei ihrer Wiederbegegnung nach vier Jahren eintauchen. Und immer wieder postieren sie sich neu zu Stills, die man früher lebende Bilder nannte: die Paare, ehelich und überkreuz, die Männer, die Frauen, zu zweit, zu dritt, zu viert: Als ob sie immer neue Anläufe nähmen, das Unerklärliche doch noch in den Griff zu bekommen.

Das Unerklärliche trägt zwei Namen: Nina und Fritz, die Namen der Kinder beider Paare. Auch Nina und Fritz waren ein Paar, jung, sehr jung, verliebt, glücklich. So schien es. Doch eines Tages brachen sie die Glasplatte von Cleos und Eddies Wohnzimmertisch entzwei: Vorzeichen für einen Liebestod auf und in dem See.

Auf das Warum findet niemand der Zurückgebliebenen eine Antwort. "Das hier ist nicht schön": So lautet, ein letzter Satz, die Botschaft. Hat das ganze Gewese auf Erden überhaupt einen Sinn? Das Streben und Mühen um einen Platz an der Sonne, wenn es doch eines Tages unweigerlich dunkel wird? Das kann man schon mal fragen. Man kann sich auch fragen, wie es die verwaisten Elternpaare tun, ob man in seinem eigenen Leben alles richtig gemacht hat: Beruf, Wohnort, Partnerwahl, das ganze Programm.

Da bricht sie aus dem famosen Michael Schmitter heraus, die Sehnsucht nach einem "richtigen Fick", da verrennt sich Regine Effinger in eine sinnlos bohrende Deutung des Abschiedssatzes; da verliert sich Sibylle Denker in ein Was-wäre-gewesen-wenn – wenn sie den Mut aufgebracht hätte, ihren Mann zu verlassen, hätte sie ihrem Sohn zeigen können, wie es ist, sein Leben in die Hand zu nehmen; da verfällt Peter Haug-Lamersdorf in einen sarkastischen Vergänglichkeitsblues. Und sie machen das gut, sie machen es packend, diese Vier, die schon häufiger miteinander auf der Bühne standen. Sie erzeugen jene dichte Kammerspielatmosphäre, für die das Wallgraben-Theater bekannt ist – und eben nicht nur für Boulevard und Loriot. Man kann die Theatermacher nur ermutigen, sich weiterhin der Gegenwartsdramatik anzunehmen: Es ist eine Bereicherung für die regionale Theaterszene."
(Bettina Schulte / Badische Zeitung)

"(...) Nun hat sich das Freiburger Wallgrabentheater des schweren Stoffes angenommen. Und brilliert mit einem aufwühlenden Theaterabend, der lange im Gedächtnis bleiben wird. (...) Die Schauspieler dosieren die Emotionalität ihrer Figuren sehr genau. Das Drama bleibt manches Mal mitten im Satz stecken, verstummt, verstört. (...) Regisseur Christian Lugerth inszeniert den Abend atmospärisch dicht und streng analytisch. Zwischen den insgesamt 33 Szenen ertönt ein Geräusch, ähnlich dem Klicken eines Diaprojektors. Und die Personen stellen sich neu auf, um ein anderes BIld in Erinnerung zu rufen. Dazu ertönt ein langgezogener Summton, der an die Null - Linie eines Krankenhaus - Monitors denken lässt. Der Tod der Kinder wird so immer unbewusst ins Gedächtnis gerufen. Das ist großes Theater auf kleinstem Raum, schnörkellos, fokussiert, bewegend. (...)
(kultur joker Freiburg)
 
"(...) Das Wallgrabentheater beeindruckt mit einem aufwühlenden Theaterabend und exzellenten Schauspielern. (...) Am Ende kommen die Vier wie zu Beginn zusammen, um sich gemeinsam an den Moment zu erinnern, als sie die toten Kinder gefunden haben. Die Erinnerung wird zum Aufschrei, der dann doch noch mit einem Hauch von Trost umgeben wird. Langer Beifall für einen großartigen Theaterabend."
(fipps Freiburg)

ANOTHER SIDE OF TRUE DYLAN

"Auf die Suche nach dem 'wahren' Bob Dylan macht sich derzeit das von Christian Lugerth im TiL inszenierte Stück "True Dylan" von Sam Shepard. Was hier allen, die keine Insider sind, verschlossen blieb, wurde in der Late - Night am Samstag spür- und vor allem hörbar. Alles, was von dem kleinen Stück, das Shepard nach einer Begegnung mit Dylan in den 70er Jahren schrieb, zu erwarten und vieles was zu erhoffen war, kam nun zur Geltung. Allem voran die unvergleichliche Musik, mit der Dylan eine ganze Generation von Musikern in den 60er und 70er Jahren prägte.
Eine Warnung schickt Lugerth voraus: Fans sind gefährlich! Mit der geschickten Auswahl von Texten über und von Bob Dylan, die auch kritische Seiten nicht ausblenden, macht er es nicht nur für Fans möglich, Lebensgefühl und Lebenseinstellung der amerikanischen Musikerlegende nachzuempfinden. In den gelungenen Kulissen des Theaterstücks, zwischen einer alten Zapfsäule und einem einsamen Kaktus, steht Lugerth in Jeans und rot - schwarz - gestreiften Cowboystiefeln. Mit der Gitarre und Mundharmonika um den Hals gelingt ihm, woran es dem Stück mangelt.
Die eigenen Ängste und Träume, das Sich - Verlieren und Wiederfinden, Menschlichkeit und Gerechtigkeitssinn, hörte zum Beispiel Elke Heidenreich, wie so viele andere, in Dylans Musik. An ihm schieden sich die Geister, wie der Journalist Helmut Salzinger zum Beispiel 1971 die Stimmen der Kritiker zusammenfasste: Dylan könne weder Gitarre noch Klavier spielen, nicht texten, habe die Countrymusik verraten, sei nach seinem Motorradunfall nie wieder der Alte geworden und 'seine Lederjacke stinke'. So fügen sich die Mosaikstücke des Stückes im nachhinein zu einem Ganzen zusammen.
Und endlich gibt es ihn auch zu hören: Lugerth nuschelt, krächzt und jault wie Dylan. Mit Unterstützung von Simone Grundhöfer an der Geige, Volker Seidler am Schlagzeug und Philipp Lampert am Bass gelingt das Eintauchen in die Musik von Dylan. Teile der Liedtexte liest Lugerth vorab: ' Fragt mich nichts über nichts, ich könnte Euch die Wahrheit erzählen." Viel zu schnell war diese einstündige Zeitreise zu Ende."
(Gießener Allgemeine)

"(...) Im Anschluß an das von ihm inszenierte Theaterstück 'True Dylan', lud Christian Lugerth am späten Samstagabend zu Texten und Musik unter dem Motto "Another Side of True Dylan" und outete sich dabei als profunder Kenner des Schaffens von Robert Allen Zimmermann. Von Klassikern wie 'It's allright,Ma', 'Tangled up in Blue' oder 'All along the Watchtower' bis hin zu eher selten gehörten Songs wie 'Everything is Broken', 'Silvio' oder 'Outlaw Blues' spannte Lugerth den Bogen. Der in Gießen lebende Schauspieler, Regisseur und Bühnenauor balancierte mit der Gitarre in der Hand ohne Netz und doppelten Boden zwischen fast perfekter Imitation und aufregenden Neuinterpretationen hin und her. Er kaute und quetschte die Silben mit näselnder Stimme als stünde der Meister selbst hinter dem Micro in der muffigen Studiobühne. Tatkräftig unterstützt wurde Lugerth dabei von der Band 'Lahn - Dylan - Kreis' (Volker Seidler am Schlagzeug und Philipp Lampert am Bass). (...) Bei 'Knockin' on Heavens Door', das Lugerth als 'Guns'n'Roses' - Song ankündigte und in der Version der 'Hard To Handle' - Tour mit Tom Petty darbot, durften schließlich alle mitsingen. Das Publikum dankte es ihm mit tosendem Applaus. Mit einem ergreifend melancholischen 'Just like a Woman' verabschiedete sich Christian Lugerth in die Nacht."
(MAZ)