KRITIKEN

EIN GETRÄUMTES LEBEN

"Als der portugiesische Dichter Fernando Pessoa 1935 in Lissabon mit 47 Jahren starb, hatte er kaum etwas veröffentlicht. Erst die Entdeckung seines literarischen Nachlasses katapultierte ihn posthum in den Reigen der Weltliteratur: Fast 35 000 fragmentarische Manuskriptseiten hatte Pessoa in einer großen Truhe hinterlassen, die bis heute seinen Ruf als einen der bedeutendsten Lyriker in portugiesischer Sprache begründen.
Am Stadttheater hat man sich mit diesem so rätselhaften wie faszinierenden Dichter intensiver beschäftigt, und zwar im Rahmen der Produktion »Erklärt Pereira«, mit der die taT-Studiobühne ihre Eröffnung gefeiert hatte.
Durch die vielen im Stück enthaltenen Anklänge an Pessoa waren Regisseur Christian Lugerth und Hauptdarsteller Harald Schneider neugierig geworden. Beim »Foyer um fünf« teilten die beiden in einem lyrischen Zwiegespräch nun ihre Lesefrüchte mit einem interessierten Publikum, wobei die nicht immer leichte Kost des portugiesischen Dichters von der Rezitationskunst der beiden Theaterleute profitierte.
Mit mehreren Gedichten spürten Lugerth und Schneider vor allem dem melancholischen Selbstzweifler Pessoa (»Ich beneide alle Leute darum, nicht ich zu sein«) nach, dessen Porträt mit dem schwarzen Schnurrbart im schmalen Gesicht die Zuhörer während der Lesung nicht aus den Augen ließ. (...)

Mit ihrer nachdrücklichen Rezitation gelang es Regisseur und Darsteller, die Faszination Pessoas fühlbar zu machen und Interesse zu wecken: für den wehmütigen Philosophen aus Portugal sowie für kommende »Erklärt Pereira«-Aufführungen.
(Gießener Allgemeine)

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„Erklärt Pereira“, dem Erfolgsstück auf der taT-Studiobühne, folgte nun im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Foyer um fünf“ ein kleines Extra: Melancholische Fado-Klänge empfingen die Besucher der beliebten Soiree im oberen Foyer des Stadttheaters. Stühle und Tische waren wie in einem Kaffeehaus aufgestellt, die kleine Bühne mit Schreibmaschine, Fotos und einer Madonnenstatue dekoriert. „Ein geträumtes Leben“: Unter diesem Motto präsentierten die Schauspieler Christian Lugerth und Harald Schneider Lyrik und Prosa des portugiesischen Dichters Fernando Pessoa. (...)
Dass die Texte des Portugiesen poetisches Potenzial besitzen und zugleich viel über die Stimmung der 20er und 30er Jahre aussagen, bewies die folgende Lesung. Lugerth überzeugte dabei nicht nur durch seinen ausdrucksstarken Vortrag, sondern auch durch die geschickte Zusammenstellung der Texte. Aus zwei Bänden mit Gedichten und Erzählungen Pessoas hatte er in scheinbar lockerer Reihenfolge kurze Ausschnitte zusammengestellt, die er abwechselnd mit dem vorzüglich agierenden Harald Schneider vortrug. So erlebte das Publikum einen lebhaften Dialog von zwei Männern in einem Kaffeehaus, die zu Beginn von einem Kellner bedient wurden. Ein raffinierter Kunstgriff: Pessoa schrieb gleich unter mehreren Pseudonymen, „Heternonyme“ genannt, mit denen er fiktive Personen, Pseudowesen und Kunstgeschöpfe von seiner eigenen Biografie ableitete. Lugerth und Schneider verdeutlichten dies mit viel Einfühlungsvermögen und einem kleinen Augenzwinkern.
„Lissabon mit seinen Häusern in mannigfachen Farben“: eindrückliche Bilder und Stimmungen umfingen die Zuhörer, triviale Alltagssituationen boten auch Anlass zum Schmunzeln. Ganz anders die Kriegsode, die Schrecken und Terror des Bürgerkriegs im benachbarten Spanien und den heraufziehenden Weltkrieg erahnen lässt. (...)"
(Gießener Anzeiger)
 

MACHO MAN

Der Mann ist am Ende, wie er sich da mit seinem Rollkoffer-Ungetüm auf die Bühne schleppt, die Schritte schwer, die Brille schief und die Miene überhaupt ein einziges Jammertal. Liebeskummer, der Arme. Es geht lustig los im Theater Die Komödianten, wo Ivan Dentler zum großen Vergnügen des Premierenpublikums den „Macho Man“ gibt.
Der Typ ruckelt nerdig an seiner Intellektuellen-Brille und kann es nicht fassen: Aylin, die Angebetete, mit der die Hochzeit doch quasi schon klar war, steht da im Ferienclub in Antalya, im Brautdress, mit einem anderen, der auch noch sein bester Freund ist. Oder war. Grund genug für Daniel – so heißt dieser Nerd und übrigens eher das Gegenteil des titelgebenden Macho Man – uns mal die komplizierte Vorgeschichte aufzurollen. Und zwar mit allen Beteiligten von Aylin und ihrer Großfamilie bis zu seinen auch ziemlich speziellen Alt-68er-Eltern. Ein Solo, an dem man in der Premiere den Kraftakt manchmal noch spürt, den Ivan Dentler in der Regie von Christian Lugerth aber hauptsächlich mit Comedy-Leichtigkeit auf die Bühne bringt.
(...) Viel Wortwitz und Slapstick steckt da drin. Und viel Stoff zum Spielen, den Dentler für eine vergnügliche Vielseitigkeitsübung nutzt. Dabei kann er so herrlich knödeln wie Lindenbergs Udo und so hasenhaft hüpfen wie Otto. Er kann die ausladende Geste des polternden Türken-Papas und die spitzmündige Irritation der links bewegten Mama, den kraftmeiernden Türken-Macho mit Goldkette sowieso und den streichelweichen Frauenversteher Daniel auch. Rasant imaginierte Zwiegespräche, die am schönsten da funktionieren, wo Daniel sich bei jedem Satz nochmal mitdenkt und die Komik aus dem Doppelspiel von laufender Handlung und gleichzeitiger Selbstanalyse entsteht.
Das groovt sich prima witzig, aber angenehm jenseits des überdrehten Comedy-Zirkus ein; und Regisseur Lugerth mischt den Abend mit Gefühl für Pointe und Timing locker ab. Dazu hat er mit seinem Schauspieler liebevoll an den zahlreichen Mini-Porträts gefeilt, die Daniels Minnesang bereichern. Und so schnurrt der Abend zum Soundtrack (...) von orientalisch bis Abba bis zur Pause locker durch. Danach verliert er zwar etwas an Spannung, weil die Rollenspiele da in die reine kabarettistische Nummerrevue zu driften drohen. Das macht aber fast nichts. Weil Ivan Dentler so schön zwischen Selbstmitleid, Beglückung und Enttäuschung durch die großen Gefühle und kleinen Katastrophen seines Helden segelt. Und weil Netenjakob die Klischees oft noch eine unvermutete Wendung weiterzudrehen weiß: Warum Aylins schwuler Bruder Cem seinen Freund zu Hause nicht vorstellen mag? „Bist du wahnsinnig – er ist Grieche.“
(Kieler Nachrichten)

"Christian Lugerth mischt mit seiner lockeren Inszenierung das begeisterte Premierenpublikum wunderbar auf."
(pagewizz Kiel)

"Softie vs. Macho - Man(n) das funzt!"

(NDR)

MÃNNERHORT

"(...) Im Freiburger Wallgraben Theater ist "Männerhort" nun in einer Inszenierung von Christian Lugerth zu sehen. Im Keller ist man ja auch schon in Freiburgs Privattheater. Das Refugium, das sich Helmut (Peter Haug-Lamersdorf), Eroll (Ives Pancera) und Lars (Olaf Creutzburg) im Heizungskeller einer Shopping-Mall eingerichtet haben, sieht ein bisschen aus wie ein Jugendraum für Große; der Abfalleimer, gefüllt mit Kronkorken, ähnelt haargenau denen vom Schulhof, rechts hängt eine Dartscheibe, es gibt Spinds, ein Sofa mit Couchtisch. Ãœberall liegen Pizzaschachteln herum, an der Wand hängt der Spielplan der Champions League, und natürlich nimmt der Fernseher einen ziemlich zentralen Platz ein. Auf dem Boden hat jemand billige Teppiche ausgerollt. Oben findet die samstägliche Niederlage der Männer beim Shoppen mit ihren Frauen statt, unten siegt die Kameraderie unter Geschlechtsgenossen bei Bier, Pizza und Fußball. (...) Eine Antwort auf die Frage, warum diese Männer glauben, derartige Schutzräume zu brauchen, sollte man von diesem Stück nicht erwarten. Autor Kristof Magnusson und mit ihm Regisseur Christian Lugerth setzen auf einander konträre Charaktere. Da ist Lars, der seine Ängste mit Affären kompensiert, Helmut mit seiner barschen Kämpfernatur und das Sensibelchen Errol. Man trägt die Sneakers, Sonnenbrillen und Jacken, die man selbst für sportlich hält, nur Lars hat sich konsequent für Anzug und Krawatte entschieden, denn, so sein Motto "Ich bin halt ich". Als der Feuerwehrmann des Shoppingscenters im Keller auftaucht und in dem ganzen Zeug nichts anderes als eine "Fluchtwegbehinderung" erkennen will, komplementiert Georg Blumreiter das Trio zum Quartett mit der Note harte Schale, weicher Kern. Fortan simulieren die vier den Shoppingparcours ihrer Frauen im Trockentraining, um ihn erst abzukürzen und dann, um deren Gunst wiederzugewinnen, auszudehnen. Aus der Konfrontation dieser Typen schöpft der Abend seine Komik und hat streckenweise durchaus Witz. Vor allem Ives Pancera und Georg Blumreiter zeigen komödientypisches Timing. Und Lugerth setzt noch auf etwas anderes: Er überzeichnet die Stereotype und unterlegt sie mit Musik (Sascha Bendiks). Wie in einem Melodram beginnen die vier immer wieder zu singen. Das markiert Distanz zur Wirklichkeit und signalisiert: Vorsicht Komödie. Was sie singen, unter anderem "Mama" und "Männer", erinnert dann aber doch eher daran, dass "Männerhort" auch 2003 schon ziemlich 80er Jahre war."
(Badische Zeitung)

"(...) Daß Magnusson mit diesem Stoff einen Bühnenrenner landete, ist schwer nach zu vollziehen. Wird hier doch lediglich wiedergekäut, was schon lange in grob gezimmerten Comedy - Kisten lagert. (...)"
(kultur joker)

"(...) 2003 hat der deutsch - isländische Autor Kristof Magnusson die klischeegetränkte Komödie geschrieben, die schnell zum Erfolgsstück wurde und gerade mit Detlev Buck und Christoph Maria Herbst verfilmt wurde. Es geht um shoppende Frauen und deren leidende Männer, um coole Sprüche und deftige Zoten. (...)"
(fipps freiburg)

ANTON - DAS MÃUSEMUSICAL

"(...) »Anton – Das Mäusemusical« ist im Großen Haus des Stadttheaters das diesjährige Familienstück zur Weihnachtszeit – in einem überdimensionalen und mit Hinguckern gespickten Bühnenbild von Lukas Noll. Christian Lugerth hat das mit vielen schmissigen Melodien garnierte Musical von Gertrud und Thomas Pigor für die jüngsten Theatergänger mit Schwung inszeniert. Und die sind von der ersten Minute mit Feuereifer auf der Seite der Mäuseriche. Als eine Mausefalle mit Käse lockt oder der riesige Schwanz der Katze unter dem Sofa auftaucht, warnen die Jungen und Mädchen im Publikum ihre neuen Freunde, die mit riesigen Haartollen, Trainingsanzug und Latzhose wie putzige kleine Rock’n’Roller wirken (Kostüme: Bernhard Niechotz). Und wenn die dann noch mit ihren respektablen Mäuseschwänzen wedeln, auf einer zum Podest umfunktionierten Bonbondose rappen und singen oder wie Darth Vader imaginäre Lichtschwerter schwingen, dann fiebern die mehr als 500 Kinder pro Vorstellung begeistert mit. Die Lieder, die Keyboarder Martin Spahr mit einem Trommler (im Wechsel Christoph Czech/Moritz Weissinger) als Kakerlakenband live auf der Bühne begleitet, sind so eingängig, dass sie noch Stunden als Ohrwurm festsitzen (...)."
(Gießener Allgemeine)

"(...) Das Familienstück zur Weihnachtszeit ist doch immer einen Besuch wert. Diesmal ist es „Anton, das Mäusemusical“, bei dem die Kinder ordentlich Spaß haben. Alles dreht sich um die drei Mäusebrüder Anton, Franz und Willi, die unter dem Sofa der Familie Hoffmann wohnen, super singen können und nur vor zwei Dingen Angst haben: dem Staubsauger und einer Katze. Die vielen „Zugabe“-Rufe bei der Premiere gestern zeigten, dass die Kleinen bestens unterhalten werden.
In der Inszenierung von Christian Lugerth kommt das lustig-turbulente Stück von Gertrud Pigor, Thomas Pigor und Jan-Willem Fritsch mit ohrwurmverdächtigen Songs auf die Bühne im Stadttheater. Die musikalische Leitung der „Kakerlaken-Band“ liegt in den Händen von Martin Spahr, der von Christoph Czech und Moritz Weissinger am Schlagzeug unterstützt wird.
Einen großen Anteil am Gelingen hat Bühnenbildner Lukas Noll, der eine hübsche kleine Welt unter dem Sofa zaubert mit Steckdose, Sprungfeder und vielen Spinnweben. Die pfiffigen Kostüme hat sich Bernhard Niechotz ausgedacht: Der kleine Anton (Maximilian Schmidt/Pascal Thomas) ist mit seinem knallroten Kostüm nicht zu übersehen, Franz (Sebastian Songin/ Lukas Goldbach) trägt einen Trainingsanzug und Willi (Rainer Hustedt/Roman Kurtz) schließlich ist an seinem dicken Bauch zu erkennen. Lange Mäuseschwänze und coole Elvisfrisuren tragen alle drei.(...)"
(Gießener Anzeiger)

"(...) Ein etwas anderes Stück zur Weihnachtszeit zu zeigen, das hat beim Stadttheater Gießen schon Tradition. Auch dieses Mal ist es wieder eines, das voll Witz und Musik ist. Das mit großem Schwung inszeniert wurde von Christian Lugerth, für das Lukas Noll eine aufwändiges Bühnenbild und Bernhard Niechotz fantasievolle Kostüme schufen; dasselbe Team, das bereits die „Weihnachtsgans Auguste“ inszenierte. Groß und Klein amüsieren sich köstlich, wenn die Schauspieler in ihren tollpatschigen Kostümen singen und tanzen. Die jungen Besucher gehen so richtig mit, sie feuern an, sie warnen die Brüder vor der Katze und fordern am Ende „Zugaben“ wie die Großen. (..)"
(frizz)

ERKLÃRT PEREIRA

"Er ist wieder da, und das Publikum hat ihn wieder lieb. Als sich Harald Schneider, der Gießen 2005 (2004, lieber Kritikant, 2004 war es! Der Säzzer!) verlassen hat und nun für die Titelrolle des Stücks „Erklärt Pereira“ von Antonio Tabucchi (1943 bis 2012) zurückgekehrt ist, am Donnerstagabend nach fast anderthalbstündiger Aufführung verneigte, schwoll der Schlussapplaus hörbar an. Dazu ertönten im vollbesetzten taT-Theater die ersten Bravorufe. Doch nicht nur Schneider, sondern alle anderen an dieser Schauspielproduktion Beteiligten haben den starken Beifall verdient: Gleich zur Eröffnung wird nämlich famoses Theater auf der neuen Studiobühne geboten.
„Erklärt Pereira“ (in der Theaterfassung von Didier Bezace) ist ein von leisen Tönen getragenes Stück über Tod und Leben, über Widerstand gegen Unterdrückung und Zensur. Mit Geschmack und feinem Gespür für Atmosphärisches und Stimmungen macht Regisseur Christian Lugerth daraus einen Theaterabend voller Poesie, Wehmut und Musik. Die leicht wehmütige Stimmung kommt dabei nicht von ungefähr, denn das Stück spielt in Portugal, genauer gesagt: im faschistischen Lissabon des Jahres 1938.
Die Bühne von Lukas Noll zeigt eine lange Bar mit Barkeeper, Flaschen und einem großen Spiegel an der Wand; davor ein Haufen durcheinanderliegender Caféhausstühle. Weiter vorne ein Tischchen mit schlichtem Stuhl, Telefon und Aktentasche – das ist die kümmerliche Redaktion des alternden Kulturredakteurs Dr. Pereira, der mit Politik nichts im Sinn hat und doch darin verwickelt wird. Das Publikum sitzt an drei Seiten drum herum und sieht, wie der von Schneider verkörperte Pereira so ganz nebenbei, aber immer stärker in den gefährlichen Strudel der politischen Verhältnisse gezogen wird. Beinahe unfreiwillig wird er zu einer Art Widerständler. Schneider, mit Weste, Krawatte, Hut und Nickelbrille nach der Mode der 30er Jahre gekleidet, spielt den müden, kränkelnden und zurückgezogen lebenden Journalisten als einen aus der Zeit gefallenen Mann, der für Balzac und die französische Kultur des 19. Jahrhunderts schwärmt, aber nicht wahrhaben will, was vor seiner eigenen Haustüre geschieht. Mit den großen, weit aufgerissenen Augen eines staunenden Kindes geht er durchs Leben, als könne er nicht glauben, was er sieht und was ihm geschieht. Als eindringlicher Darsteller, der über vielerlei Nuancen verfügt, weiß Schneider ganz genau, wie er in der intimen Nähe zum Publikum Sympathie für diese widersprüchliche Figur weckt.
Die intensive Darstellung Schneiders wird von Rainer Hustedt als Erzähler in einen epischen Zusammenhang gebracht, in dem die ständigen Hinweise im Text, „erklärt Pereira“, einen Sinn erhalten. Hustedt stellt in dieser Inszenierung erneut seine große Wandlungsfähigkeit unter Beweis, denn er schlüpft in rascher Folge in die unterschiedlichsten Rollen. Eben noch zankt er als herrische Portiersfrau Celeste mit Pereira, um gleich darauf als lässiger Freund Silva alle seine Bedenken zu zerstreuen und ihn letztlich als tyrannischer Zeitungsherausgeber und Gefolgsmann des Regimes unter Druck zu setzen.
Pascal Thomas stellt den jungen Widerstandskämpfer Monteiro Rossi glaubhaft in seinem Eifer und jugendlichen Ãœberschwang dar, und Anne Berg gibt als dessen Freundin Marta eine schöne Vorstellung. Wenn sie in ihrem hübschen, gepunkteten Sommerkleid mit Pereira zu einem melancholischen Fado tanzt, ist das ein berührender Moment. Portugalfans sollten den Abend nicht versäumen."
(Gießener Anzeiger)

"»Nun, was soll’s« beendet der Lissabonner Kulturjournalist Pereira stets seine Monologe, wenn er wieder dem Bildnis seiner verstorbenen Frau von seinen Alltagserlebnissen erzählt. Die politischen Unruhen in seinem Land unter der Salazar-Diktatur will er nicht wahrhaben und den Europa überrollenden Faschismus ebenso wenig. Er vergräbt sich stattdessen in seinem Redaktionskämmerchen, wo er die Kulturseite der katholisch orientierten Wochenzeitung mit feuilletonistischen Artikeln füllt. Erst als er den jungen Monteiro Rossi und dessen idealistische Freundin Marta kennenlernt, verändert sich Pereiras Blick – und er erkennt die Notwendigkeit eines politischen Bewusstseins und Handelns, auch wenn es sich am Ende nur in ein paar »individualanarchistischen« Zeilen in der Zeitung ausdrückt.
Christian Lugerth, der schon die ehemalige Studiobühne im Löbershof sowohl als Schauspieler als auch als Regisseur mannigfaltig bespielt hat, wurde die Aufgabe übertragen, die neue taT-Studiobühne am Berliner Platz mit »Erklärt Pereira« nach dem 1995 publizierten Welterfolg des Italieners Antonio Tabucchi (Bühnenfassung: Didier Bezace) einzuweihen. Bühne und Kostüme hat Lukas Noll entworfen. Entstanden ist eine sehr dichte Inszenierung, die dem ruhigen Erzählduktus der Romanvorlage mehr als gerecht wird und den fast schon intimen Charakter der neuen Spielstätte würdigt. Die Zuschauer sitzen quasi mit Pereira an seiner Schreibmaschine oder in der Bar, in der er sich mit einer zuckersüßen Zitronenlimonade zu trösten versucht, weil er die Welt, in der er lebt, nicht mehr versteht. Ein verspiegelter Tresen im Hintergrund, ein paar Stühle, eine Anrichte mit dem Bildnis von Pereiras Frau, ein bisschen Fado-Musik und ein Holzkasten, in dem die Pförtnerin sitzt, die Pereira dem Anschein nach von Staats wegen kontrollieren soll, – mehr braucht es nicht, um das Publikum mitten hinein in die dunkle Vergangenheit Portugals im Jahre 1938 zu schicken.
Harald Schneider, der hiermit als Gast an seine ehemalige Wirkungsstätte am Gießener Stadttheater zurückkehrt, spielt den alternden Feuilletonisten Pereira mit großer Eindringlichkeit und zarten Gesten. Er schafft es, dass man den schmächtigen Mann im Anzug und ohne dass wir wenigstens seinen Vornamen kennen, von Anfang an mag – obwohl er feige und verschroben ist und sich mehr für den Tod als für das Leben um ihn herum interessiert. Er wirkt zerbrechlich und voller Reue und Melancholie darüber, dass sein Leben nicht so verlaufen ist, wie er es sich vielleicht als junger Mann gewünscht hatte. Doch als Salazars Schergen den revolutionären Rossi in Pereiras Wohnung erschlagen, da beweist dieser kleine Mann großen Mut in seiner »Zeugenaussage«, wie die Romanvorlage im Untertitel formuliert.
Monteiro Rossi (und auch den Arzt Dr. Cardoso) spielt Pascal Thomas mit dem erforderlichen jugendlichen Elan. Dieser junge Doktorand, dessen von Pereira in Auftrag gegebene Nachrufe auf bekannte Dichter zur Abrechnung mit den faschistischen Gedankenträgern werden, folgt eher seinem Herzen als dem Verstand. Er ist zwar ein bisschen blauäugig, hat aber den nötigen Idealismus, den seine Freundin Marta (charmant und selbstbewusst: Anne Berg) im Gespräch mit Pereira fordert. Rainer Hustedt schließlich obliegt es, den den Roman mit seinen Formulierungen »..., erklärt Pereira« so prägenden Erzähler auf die Bühne zu transformieren. Ein durchaus gelungener Kunstgriff. Auch als Pförtnerin Celeste, als philosophierender Freund Silva und als obrigkeitstreuer Zeitungsherausgeber ist Hustedt im Einsatz. Kleinere Auftritte hat auch Alexander Reich, der als Barkeeper Manuel und Rossis Partisanen-»Cousin« Bruno mitwirkt."
(GIeßener Allgemeine)