AKTUELLES
(gießen, den 3. november 2018) Jetzt waren sie da, die Zuschauer, die Presse, die Freunde, die Kollegen und am Premierenabend, der sich inklusive Feier recht lange in die Nacht zog, herrschten Freude, Erleichterung, Lob vor, auf und hinter der Bühne. Es war ein großartiges Team, mit dem ich diesen Abend zum Laufen bringen durfte, auf jeder Position. So wurde das recht anstrengende Sichabarbeiten am Text von David Foster Wallace zwar nicht zum "unendlichen Spaß", aber auch nicht zu vergeudeter Lebenszeit. Ganz im Gegenteil, auf diese Arbeit werde ich öfters und dann etwas stolz zurückblicken wollen. Bis jetzt gibt es drei Besprechungen. Zweimal berichten Frauen, beides mal lobend, einmal im HR, einmal in der einen Lokalgazette. Im anderen Blatt schreibt ein Mann, daß unser Abend im wesentlichen den Text des von ihm offensichtlich verehrten Schriftstellers "entkernt" (oder gar enteiert?) habe und wir der Sache nicht gerecht werden. Da wo die zwei Frauen auf der Bühne von sehr guten Schauspieler dargestellte arme Würstchen verorten, sieht der Mann im Buchtext der "Fiesen Männer" Katharsispotential, welches ihm von unserer Interpretation genommen scheint. Er empfiehlt, selbst ist der Mann, gleich zum Buch zu greifen. Freue mich über Widersprüchlichkeiten bei der Rezeption des Abends. War ja selber, siehe letzten Post, während der Arbeit täglich vom Zweifel befallen. Ich tat's mit Freude. Eine literarische Welt ohne DFW? Ich könnte das wohl verschmerzen. Ordentlich befreit fahre ich nun eine Woche an die Nordsee.
(gießen, den 23. oktober 2018) Seit nun bald vier Wochen beschäftigen wir uns mit fiesen Männern. Also den üblichen Nasen meines Geschlechts. Aber so einfach ist es nicht. Der gescheite Zeigefinger schrumpelt dort schnell, wo man ihn zu schnell ausfährt. So braucht man manchmal Rat und Hilfe. Ein lieber Mensch, den ich darum bat, schrieb mir folgendes: "Das Stück kenne ich bisher nicht ( hab's Buch bestellt ), bei den anderen Sachen von Foster-Wallace bin ich zwischen höchst vergnüglichem Amusement, großem Respekt vor der seziermesserscharfen, aber quälenden stilistischen Präzision, aber manchmal auch ermüdeter Kapitulation und totaler Überforderung hin und her gerissen. Einiges versteh' ich schlicht und einfach nicht, und bin dann auf die Dauer auch nicht bereit, mich da durchzubeißen. Diese gesammte Spannweite fand sich zum Beispiel in den Kurzgeschichten von "Alles ist grün" - von genial bis ach leck mich doch ... während im satirisch unterhaltenden Sinne angenehmste Kost fand ich bei der herrlichen Kreuzfahrtschilderung. Sein Opus Magnum hab' ich jetzt gerade angefangen - vielversprechend ! Also - ich bin gespannt auf die "Fiesen Männer" So geht es mir auch. Der unendliche Spaß überwiegt noch, aber nicht da, wo es richtig wehtut. Kryptisch das alles? Wahrscheinlich. Habe mich selten so auf ein Publikum gefreut.
(gießen, den 23. september 2018) Es regnet! Endlich! Endlich regnet es wieder ordentlich! Über drei Monate nach Kardamilli! Dieser Sommer war mir mit seiner breitbeinigen Beharrlichkeit oft ordentlich lästig. Gar nicht mal die Hitze, eher die gnadenlose Trockenheit. Meine geliebten Waldspaziergänge haben mich meist recht traurig gestimmt. Den Baum als bedrohte Spezies in solchem Zustand zu sehen, weia! Zudem scheint mir beim Blick aus dem Fenster, in die Zeitungen, auf die Bildschirme und andere Baustellen, daß uns allen eine ordentliche Abkühlung gut tun würde. In jeder Beziehung. Lärm, Hektik, Geschachere, Hysterie, Hamsterrad waren nie meins und werden es mit der Zeit immer weniger. Slow down! Morgen nun beginnt die bezahlte Arbeit wieder. Erst zwei Tage lang die Wiederaufnahme für den guten alten RIO. Vierte Spielzeit! Wie Mastermind Sascha Bendiks sagen würde: YEAH!!! Ab Mittwoch die Proben für die „Fiesen Männer“. Das war die Hauptmühe dieses Sommers: bei über 30 Grad sich an den Schreibtisch zu zwingen und aus einem doch recht komplexen Werk einen Theaterabend zu schnitzen. Ist jedoch - glaube ich - ganz gut gelungen. Freu mich jetzt auf die Auseinandersetzung mit dem Ding auffem Probenplatz. Zu lange im eigenen Denksaft rumdümpeln ist nicht gut. Und am Mittwochabend noch ein musikalischer Termin, der bald Bedeutung bekommen könnte. Davon später. Freue mich auf die nächsten Wochen!
(gießen, den 28. juni 2018) Zwei großartige Wochen in der Mani, einem Teil Griechenlands, der mir bislang vollkommen unbekannt war. Großes Glück! Ständiger Begleiter (außer der Liebsten selbstredend) ein Buch über den südlichen Peloponnes des mir ebenso unbekannten Patrick Leigh Fermor, der bis zu seinem Tod in dem Ort wohnte, wo wir Unterkunft hatten. Große Entdeckung! Ich zitiere:
"Wenn man sich als Reisender an eines der gestürzten Kapitelle lehnt und die Stunden verstreichen läßt, verschwinden alle Ängste und quälenden Gedanken, und nach und nach wird der Geist wie ein Gefäß, das man geleert und ausgescheuert hat, angefüllt mit einer stillen Ekstase. Fast alles, was geschehen ist, schwindet in einem Reich der Schatten und des Trivialen und mühelos tritt an dessen Stelle etwas Strahlendes, Einfaches, Ruhiges, das alle Knoten löst und alle Rätsel aufklärt und uns gütig und ohne alles Drängen zuzuflüstern scheint, daß das ganze Leben, wenn man ihm nur eine Chance dazu gäbe, ohne Zwang, ohne Behinderung, ohne die Quälereien des Verstands unendlich glücklich sein könnte."
Ja, so war es da unten. Und ich hatte die große Freude den Beginn vom Untergang des "Unternehmen Großkotz" (früher mal Fußball genannt) in einer griechischen Bar miterleben zu können. Neben mir ein lokaler Mexikofan und als wenige Minuten nachdem die anderen Deutschen vor Ort bei der Hymne aufgestanden waren und applaudiert hatten - selten so fremdgeschämt - das Tor fiel und kurz danach wegen eines Unwetters der Strom ausfiel und die entgeisterten Landsleute auf den leeren Bildschirm starrten, hatten wir zwei uns schon arg gefreut. Als nach einiger Zeit die Glotze wieder lief, kam die Wirtin und bat uns um Entschuldigung, denn man müsse jetzt leider umschalten, da auf einem anderen Sender Basketball liefe. Hellas first! Großartig! Darauf 'nen Ouzo! Oder gar zwei?
(gießen, den 5. juni 2018) Der Maulwurf war dann doch kurz oben und atmete tief durch. Licht! Luft! Labsal! Letzte Woche am Mittwoch zwei vorläufige Endprobendurchläufe, mit denen ich und auch die Abteilungen, die Mimen und die Leitung (Gott sei Dank!) ziemlich zufrieden waren, unerwartet, punktgelandet, mit heißester Nadel gestrickt (der Ausnahmezustand pegelt sich als Norm ein, nicht nur, aber leider auch an den Theatern!) und den einen kleinen entscheidenden Schritt war das Ding sogar jenseits der Vorlage. Siehe letzter Eintrag. Höhepunkt der Abend zuvor, als während eines Ablaufes ein prächtiges Unwetter über Gießen niedertobte und mit unfaßbarer Lautstärke Hagelkörner durch die Lüftungsklappen ins Bühnenhaus drückte und die fielen freudig auf die Bühne runter. Das war was für die Autobiographie und eine ungeplante, aber wirksame Teambuildingmaßnahme. Anschließend lief das Untergeschoß feucht. Wahrscheinlich sitzen wir alle der Illusion auf, zu viel Druck im Kessel könne man mal so umleiten. Fürchte, dies ist ein Irrtum. Den hohen Druck lässt nur das Ventil namens Innehalten raus. Morgen eine Konzeptionsbauprobenbesprechungskonferenz. Diesen Tag noch weiter, weiter. Dann isses gut.